München – Der Süd-Schlager ist auch ein Balla-Balla-Gipfel. Wenn der FC Bayern am Sonntag (19.30 Uhr, DAZN) den VfB Stuttgart empfängt, ist es nicht nur das Duell zwischen dem Tabellendritten und Zweitplatzierten. Alle Augen werden auch auf die Stürmerstars Harry Kane (30) und Serhou Guirassy (27) gerichtet sein. Im Interview spricht „Sky“-Experte Lothar Matthäus (62) über die beiden führenden der Bundesliga-Torjägerliste.
Herr Matthäus, Wie schätzen Sie Kane und Guirassy ein?
Sie sind unterschiedliche Stürmertypen. Was sie gemeinsam haben: Sie schießen viele Tore und sie sind keine reinen Strafraumstürmer. Beide sind keine Angreifer, die nur vorne drinstehen und auf Bälle warten. Sie versuchen, mitzuspielen und sich auch von ihren Gegenspielern loszueisen.
Kane lässt sich oft auch weit zurückfallen.
Wenn Stuttgart mit zwei Spitzen spielt, lässt sich auch Guirassy mal fallen und zieht von links nach innen. Kane wiederum zieht sich zentraler zurück, meist auf die Achter-Position. Er ist einer, der die Mitspieler mit hohen Zuspielen einsetzen kann. Er hat die Fähigkeit eines Spielmachers. Diese Qualität hat Guirassy nicht – obwohl er seine Mitspieler mit Steckpässen in Szene setzen kann.
Als Sie Guirassy in der vergangenen Saison während der Stürmersuche des FC Bayern ins Gespräch gebracht haben, haben sich viele gewundert. Dabei lagen Sie mit Ihrer Einschätzung goldrichtig.
Bei Guirassy habe ich schon im vergangenen Winter gemerkt, dass er ein Spieler mit hoher Qualität ist. Ich hatte ihn zu dem Zeitpunkt zweimal live gesehen und gemerkt, dass er alles hat, was man von einem Top-Stürmer erwartet. Er ist schnell, dynamisch, hat Spielwitz und Abschlussstärke. Er erinnert mich an Kolo Muani. Aber ihn habe ich damals trotz der Spekulationen nicht unbedingt beim FC Bayern gesehen, weil er für sein Spiel mehr Platz braucht. Guirassy ist noch mehr im Strafraum tätig und er ist abgezockter.
Kane hat 18 Tore erzielt, Guirassy 16. Für wen ist es leichter zu treffen?
Kane hat es von der Größe und vom Prestige des Clubs einfacher, weil der FC Bayern unglaublich dominant ist. Aber auch der VfB Stuttgart spielt in dieser Saison auf hohem Niveau. Guirassy passt perfekt dorthin, wenn man sieht, wie erfrischend der VfB derzeit auftritt.
Wen finden Sie besser?
Ich bin Fan von beiden. Kane ist mehr Führungsspieler. Er ist unglaublich präsent und hat Einfluss auf die Mitspieler. Guirassy ist mehr auf sich konzentriert, aber dadurch, dass er so viele Tore schießt und so wichtig für die Mannschaft ist, schätzen ihn die Mitspieler sehr. Er ist körperlich stärker und schneller. Gegen ihn hätte ich früher ungerne gespielt. Kane hat dafür ausgezeichnete Laufwege und die Erfahrung auf allerhöchstem Niveau. Es wäre eine Beleidigung, wenn ich aktuell sage, einer von ihnen wäre besser. Das wäre unfair. Man bräuchte von beiden etwas, dann hätte man den perfekten Stürmer.
Interview: Philipp Kessler