Ein Spieler kommt neu in ein Team – und was machen die Eishockey-Fans zuallererst? Sie rufen das Portal eliteprospects.com auf, dessen Datenbank 1 064 964 aktuelle (und ehemalige) Spieler(innen) führt. Gegründet wurde Eliteprospects in Schweden. Einer der Mitarbeiter ist Nils Kloppmann. Es gab Wochen, in denen der Hesse bis zu 80 Stunden in die Pflege der Daten investiert hat. Man kann ihn wohl einen Eishockey-Verrückten nennen. Ein Gespräch mit ihm haben wir für einen Wochentag um 14 Uhr vereinbart, er ließ uns wissen, das gehe schon, obwohl er da gerade ein Spiel im Stream schauen würde.
Herr Kloppmann, wir haben nachgesehen, gerade könnte bei Ihnen Folgendes laufen: U 20 B- und C-WM, russische VHL oder die Kasachstan Championship.
Es läuft Ukraine – Estland bei der U 20 B-WM, also offiziell U 20 Weltmeisterschaft, Division I, Gruppe B.
Wo findet man so etwas?
Es gibt ein Portal, das hier die Referenzgröße ist – aber man sollte den Namen nicht in der Zeitung erwähnen, denn manche Streams sind illegal. Die legalen sind meist Verlinkungen zu Youtube. Das ist das Mittel meiner Wahl. Die derzeitigen U 20-Weltmeisterschaften sind dort zu finden.
Ist das unkommentiert oder auf Englisch?
Die B-WM, die ich gerade verfolge, findet in Slowenien statt. Aber der Stream von Ukraine – Estland ist vom ukrainischen Fernsehen und ukrainisch kommentiert. Die Junioren-C-WM ist vom englischen Fernsehen produziert, komplett auf Englisch.
Gibt es im Eishockey überhaupt noch Nischen, in die niemand hineinblicken kann?
Da es ja auch kostenpflichtige Angebote gibt – eigentlich nicht. Ab einem gewissen Alter ist alles da. Aus Schweden und Finnland kann man Spiele der 15-Jährigen sehen, Deutschland hinkt noch ein wenig hinterher, in der Klasse U 17 gibt es Lücken.
Sind das einfache Übertragungen mit einer Kamera?
Der Klassiker sind Übertragungen aus kleinen Trainingshallen mit einer automatischen Kamera, wie sie für dem Amateurfußball entwickelt wurde. Geht mittlerweile sehr gut.
In den Sozialen Medien haben Sie schon mal damit kokettiert, dass Sie drei Spiele gleichzeitig verfolgen. Was kriegen Sie da noch mit?
Die Frage stelle ich mir auch. Die Auffassungsgabe, drei Spiele gleichzeitig zu verfolgen, habe auch ich nicht. Letzten Endes bleibt man bei einem Spiel hängen, oft wegen der meisten Tore oder weil ein Spieler herausragt.
Darf man Sie einen Eishockey-Junkie nennen?
Ich fürchte es. Bei uns muss die Urlaubsplanung mit Eishockey abgestimmt werden. September wäre eine schöne Zeit zum Verreisen, aber da fängt die Saison an, und das ist die Phase, in der ich am meisten zu tun habe.
Ist Eliteprospects ein Hobby oder ein Job?
Reines Hobby, null Cent.
Was motiviert Sie?
Die Liebe zum Eishockey. Ich erstelle Spielerprofile in Handarbeit, da muss vieles übertragen und getippt werden, ich setze mich hin und zwinge mich, es zu tun. Aber es interessiert mich halt auch, ich mache es gerne.
Ist spezielles Wissen der Gewinn bei der Sache?
Vieles bleibt hängen, ich staune manchmal, dass ich einen U 15-Spieler sofort einem Verein zuordnen kann, weil ich ihn eingegeben habe. Ich habe Spaß daran.
Ist der Eliteprospects-Eintrag der Ritterschlag für einen Spieler – so wie für viele Menschen, wenn sie sich bei Wikipedia finden?
Ich merke schon, dass der Eintrag manchen Spielern zu wichtig ist, gerade Jugendspieler sollten sich mehr um ihr Training als ihren Eliteprospects-Eintrag kümmern. Es gab ja auch Eltern, die um jeden Punkt für ihren Nachwuchs feilschten, als wir noch die Spielberichtsbögen ausgewertet haben. Zum Glück sind die Statistiken jetzt offiziell.
Don Jackson, der erfolgreichste Trainer der DEL-Geschichte, erzählte anlässlich seines 1000. Spiels in Deutschland, wie stolz er auf seine Tochter Liza sei, weil es von ihr ein Eliteprospects-Profil gibt: mit einem Spiel 2008/09 für die OSC Eisladies Berlin.
Wir haben viele interessante Leute in der Datenbank: Keanu Reeves, den Schauspieler, zum Beispiel. Richard Dean Anderson, der in der TV-Serie den MacGyver spielte.
Oder Hotelkettenerbin und It-Girl Paris Hilton. . .
Wer im College Eishockey spielte, ist drin. Das ist Teil der Eishockey-Geschichte. Man kann vieles entdecken.
Zum Beispiel, dass Matrix-Star Keanu Reeves Torwart im La Salle College war. Oder neulich haben Sie Ralf Dittmer aufgestöbert, einen 59-jährigen Deutschen in der Siam Hockey League.
Ein User hat mir dann einen Zeitungsartikel über ihn zukommen lassen. Er stammt aus Lauterbach in Hessen und ist als IT-Manager beruflich in Bangkok. Alte Spieler sind keine Seltenheit. In Hamburg gibt es die HSV Oldtimers, die in der Landesliga spielen. Das sind mit allem Verlaub Altspieler, die auf Hobbyebene weitermachen.
Sie spezialisieren sich eher auf den Nachwuchs. In den Kadern finden sich wohl häufig Kinder bekannter Väter.
Das ist so. Man muss ja auch den Weg zum Eishockey finden. Es ist nicht der günstigste und in manchen Regionen nicht der präsenteste Sport. Da hilft es auf alle Fälle, wenn jemand aus der Familie schon gespielt hat. Im Jahrgang 2007 finden wir David Lewandowski, den Sohn von Eduard Lewandowski. Riesentalent, hat eine sehr starke Saison in der U 20 der Düsseldorfer EG. Den wird jeder kennenlernen. Er spielt in einer Reihe mit Lenny Boos, dem Sohn von Tino Boos.
Wird der deutsche Nachwuchs nicht vor allem getragen von den Jungadlern Mannheim und der Red-Bull-Akademie in Liefering?
Die großen Vereine kriegen jedes Talent, das sie wollen, denn sie bieten am meisten. Ob das in jedem Fall immer sinnvoll ist? Jeder Spieler muss individuell betrachtet werden. Manche Kinder sind mit 14 vielleicht nicht bereit, nach Liefering zu gehen, sondern erst mit 16,17. Manche sind – ich sage es mal so – Heimscheißer, die sich am besten in ihrem Heimatverein entwickeln.
Jetzt nennen Sie uns mal einen ganz jungen Spieler, aus dem was werden wird. Und bei dem wir in ein paar Jahren darauf hinweisen können: Hier haben Sie den Namen zuerst gelesen.
Aus der Akademie in Liefering Lukas Greil. Ein Peitinger, Jahrgang 2008, 15 Jahre alt. Der wird seinen Weg gehen. Es macht Spaß, ihm zuzuschauen. Er spielt schon in der U 18 und ist dort unglaublich erfolgreich. Die Liga heißt „U 18 i“, das sind Österreich und die angrenzenden Länder.
Was würden Sie für dieses Wochenende im Eishockey empfehlen?
Da fallen bei den unterklassigen U 20-Weltmeisterschaften die Entscheidungen über Auf- und Abstieg. Die Spieler sind schon relativ weit in ihrer Ausbildung.
Vielleicht etwas Exotisches dazu?
Bei Youtube laufen die Spiele der spanischen und isländischen Liga. Bei Übertragungen aus dem Baskenland kann man zugleich sehen, wie im Hintergrund Curling gespielt wird. Grundsätzlich: Ich finde es schön zu sehen, wie Eishockey wächst. Man kann das beim IIHF Development Cup verfolgen, wenn dann etwa Kolumbien spielt. Klar ist das nicht mit dem großen Eishockey zu vergleichen, aber in echt schaue ich mir auch am liebsten Hessenliga an, das ist meine Heimat. Oder meine große Liebe: Bambini-Turniere, U 7 und U 9, es gibt nichts Schöneres.
Haben Sie selbst gespielt?
Nur Pond Hockey. Ich bin so alt, Jahrgang 1982, dass ich noch zugefrorene Seen erlebt habe.
Interview: Günter Klein