Der Alexandra Palace in London ruft, die Sportwelt wird bis zum 3. Januar wieder zur Scheibe. Zu Beginn seiner Karriere, so erzählte es TV-Moderator Elmar Paulke einmal, konnte er sich zwischen Fliegenfischen oder Darts entscheiden. Paulke wurde zum deutschen Darts-Papst und sein Lieblingssport vom Kneipensport zum Massenphänomen. Die Tickets für die Weltmeisterschaft sind innerhalb von Stunden ausverkauft, das WM-Halbfinale von Gabriel Clemens sahen Anfang des Jahres 3,78 Millionen Menschen. Bereits 2018 stellten über 20 000 Fans in Gelsenkirchen einen neuen Rekord auf. Darts boomt weiter, und das hat viele Gründe.
Zunächst mal ist der Rahmen so wunderbar verrückt. Die Spieler tragen Spitznamen, haben ihr eigenes Einlauflied und mach einer zelebriert sich schon vor der Partie so, als wäre er Rekord-Weltmeister. Unvergessen, als Damon Heta in München zu „Skandal im Sperrbezirk“ auf die Bühne hüpfte und das Publikum auch a cappella noch minutenlang von Rosi sang. Die meisten Fans sind kostümiert, ob als Weihnachtsmann oder Bierdose, und grüßen auf Schildern ihren lokalen Fußballverein. Ob auf der Bühne oder davor, keiner nimmt sich zu ernst, und das ist gut so.
Auch im Darts fließt mittlerweile immer mehr Geld, es gibt Darts-Millionäre, für diese Weltmeisterschaft gibt es einen neuen Hauptsponsor. Und trotzdem gibt es immer noch diese Geschichten von Fliesenlegern oder Schreinern, die sich auf einmal ins Rampenlicht spielen. Teilzeitsportler, deren Leben sich durch gute Auftritte bei der WM ändert. Und die dann in den Interviews einfach drauf losreden und keine vorgedachten Statements der PR-Abteilung abspulen.
Und bei aller Show, ja, es sind tatsächlich Höchstleistungen, die dort abgerufen werden. „Das ist Mentalsport, kein Ballermann“, sagt Paulke. Die Profis treffen mit einer Genauigkeit in die 8 mm breiten Felder, die jedem, der selbst mal ein paar Pfeile geworfen hat, absurd vorkommt. Und das Niveau steigt auch in der Breite immer weiter, es gibt Akademien für Jugendspieler und Stars, die bis zu acht Stunden am Tag trainieren.
Das macht diese WM wieder so unvorhersehbar. Auch die fünf deutschen Spieler können für Überraschungen sorgen. So wie im Januar, als sich der gelernte Schlosser Clemens in die Herzen einer ganzen Nation warf.
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