Stille Nacht, bayerische Nacht

von Redaktion

3:0 gegen VfB in perfekter Dramaturgie – für die Bayern und Müller, der vor Unterschrift steht

VON HANNA RAIF UND VINZENT TSCHIRPKE

München – Die Temperaturen in der Allianz Arena hatten am Sonntagabend den Gefrierpunkt erreicht, aber den Zuschauern, die bis zum Schluss auf der Tribüne ausgeharrt hatten, war sowieso warm ums Herz. In Zipfelmützen liefen die Spieler um die Torschützen Harry Kane (2./55.) und Minjae Kim (63.) nach dem 3:0 (1:0) gegen den VfB Stuttgart über den Rasen der Allianz Arena, dazu gab es eine Lichtershow fürs Auge und weihnachtlichen Sound aufs Ohr. Kein Dramaturg hätte dieses letzte Heimspiel des Fußballjahres 2023 besser inszenieren können – und Thomas Müller sprach mal wieder aus, was Sache war: „Die Bayern-Seele ist heute gestreichelt worden.“ Er bezog diese Worte aufs Kollektiv, aber mit Sicherheit auch auf sich selbst.

Zwar war der 34-Jährige neben Kane, Doppel-Vorbereiter Aleksandar Pavlovic und Abwehr-Monster Minjae Kim nicht unbedingt der Mann des Spiels gewesen. Aber Müllers Auftritt über 83 Minuten hatte den Bayern gutgetan und ihn selbst nach eher härteren Wochen ein wenig befriedet. Denn auch wenn es der Super-Joker im Kader von Thomas Tuchel nicht zugeben würde: Man konnte aus den von ihm nach Schlusspfiff geäußerten Statements heraushören, dass die Altersteilzeit an ihm nagt. Müller sagte: „Ich glaube, dass man gesehen hat, dass ich zumindest selbst überzeugt bin, dass ich nicht nur mitspiele, sondern der ganzen Gruppe was mitgeben kann.“ Zwar wurde ein eigener Treffer nach VAR aberkannt („beim 3:0 egal“), trotzdem peitschte Müller die Kollegen zur „wohl besten Saisonleistung“ (Kane) mit an. Und das, obwohl die Vorbereitung laut Tuchel mit Blick auf das Lazarett um die kurzfristig erkrankten Joshua Kimmich und Leon Goretzka „turbulent“ gewesen sei. Diese Leistung im Topspiel war wichtig, um Schritt mit Tabellenführer Leverkusen zu halten. Und sie war, das betonte Tuchel mehrfach, „alles andere als selbstverständlich“.

Nahezu alles hatte das Team anders und besser gemacht als noch beim 1:5 vergangene Woche in Frankfurt. Präsident Herbert Hainer nannte den Auftritt „überragend und überzeugend“, Tuchel hob „Fleiß und Disziplin“ heraus. Lob allerdings hatte auch der 50-Jährige selbst verdient, denn der Matchplan – unter 40 Prozent Ballbesitz hatten die Bayern letztmals unter Jürgen Klinsmann in der Saison 2008/09 gehabt – ging voll auf. Auch wenn die Taktik auf Kosten der Dominanz gehe, sagte Müller, sei es doch „schön zu sehen, dass wir uns im Sinne des Erfolgs anpassen können“. Leroy Sané ging gleich ins Grundsätzliche und forderte: „Diese Leistung muss für uns eine Referenz für die Zukunft sein.“ Das Wort „reif“ wurde in der Arena am Sonntag oft bemüht.

Offensichtlich war in dieser ob der Fan-Proteste oft stillen, aber so perfekt bayerischen Nacht so viel geworden. Dass die Bayern können, wenn sie wollen. Dass man „das ganze Team“ brauche (Kane). Und dass es kein Rückschritt ist, die eigene „Eitelkeit“ (Müller) mal beiseite zu legen und den Gegner kommen zu lassen. Der VfB hatte einen „gebrauchten Abend“ erlebt, sagte Trainer Sebastian Hoeneß. Die Bayern hingegen gehen voller Weihnachtsschwung ins letzte Saisonspiel am Mittwoch in Wolfsburg.

Auch Müller hat Lust, wobei er „erst mal schauen muss, dass ich bis dahin wieder vier Räder dran habe“. Gewillt ist er, „auch den Trainer zu überzeugen“, ihn wieder mehr aufzustellen. Und im Hintergrund geht es längst ums Wesentliche. Nach Informationen unserer Zeitung ist die Vertragsverlängerung bald in trockenen Tüchern, es geht nur noch ums perfekte Timing der Verkündung. Von „gutem Austausch“ sprach Müller. So gut sogar, dass die Unterschrift womöglich noch ein Weihnachtsgeschenk wird. Für beide Seiten, wohlgemerkt.

Artikel 1 von 11