Wenn eine Sendung „Sonntags-Stammtisch“ heißt, dürfte es eigentlich keine Tabus geben – und trotzdem hatten Worte, die Uli Hoeneß als Gast in diesem Format geäußert hatte, für den Ehrenpräsidenten des FC Bayern ein Nachspiel. Lange nämlich dauerte es nach der BR-Ausstrahlung nicht, ehe die FCB-Bosse ein Schreiben erreichte. Absender: Oliver Kahn bzw.: dessen Anwalt. Tenor: Jetzt reicht’s!
Die Sport-Bild berichtet von der juristischen Drohung, die der im Mai entlassene CEO an seinen Ex-Club adressiert hat. Eigentlich war zwischen den beiden Parteien nach dem ersten emotionalen Ausbruch Kahns unmittelbar nach seiner Entlassung Stillschweigen vereinbart worden. Kahn hielt sich daran, sprach in seltenen Interviews kein böses Wort über den FC Bayern. Und auch die Bosse sparten das Thema vornehm aus. Nur Hoeneß eben nicht, obwohl seine Worte stets die meiste mediale Wucht entfalten. Vor allem wenn sie lauten: „Die Berufung von Kahn war ein großer Fehler.“
Die Aussagen im BR hatten im Oktober große Wellen geschlagen – auch weil Hoeneß ins Detail ging. Dass Kahn nicht unbedingt als Arbeitstier bekannt war, ist in der Geschäftsstelle ein offenes Geheimnis. Hoeneß aber trug es plakativ nach außen. Er sagte: „Oliver Kahn hat kürzlich in einem Interview gesagt: ,Ein CEO muss nicht 24 Stunden am Tag arbeiten.’ Darauf habe ich geantwortet: ,Aber zwölf sollten es schon sein.’“ Intern gibt man ihm da recht, und trotzdem wurde im Anschluss an Kahns Drohung das Gespräch mit Hoeneß gesucht. Er wurde gebeten, sich in Zukunft in dieser Cause zurückzuhalten. Denn Kahn hat keinen Zweifel daran gelassen, beim nächsten Verstoß rechtliche Schritte einzuleiten.
Dass Hoeneß gerne sagt, was er denkt, ist bekannt; der „Mister FC Bayern“ nimmt kein Blatt vor den Mund. Im ablaufenden Jahr aber ist er mehrfach über das Ziel hinausgeschossen. Schon im Transferpoker um Harry Kane hatten Hoeneß’ Worte („Tottenham wird einknicken“) die Verhandlungsposition des FC Bayern geschwächt, nun folgte die Kahn-Drohung. Der Lerneffekt: Stammtisch ist nicht gleich Stammtisch. Alles gesagt werden darf nur, wenn die Kamera aus ist. HANNA RAIF