Antonias Welt sind die Berge

von Redaktion

Niedermaier träumt auf dem Rad (Paris 2024) und beim Skibergsteigen (Mailand 2026) von Olympia

VON NICO-MARIUS SCHMITZ

München – Wie eng Freud und Leid beieinander liegen, das musste Antonia Niedermaier dieses Jahr schmerzhaft erfahren. Im Juli ließ Niedermaier die Weltelite beim Giro d‘Italia Donne hinter sich, gewann sensationell die Königsetappe. Und nur einen Tag später stürzte die deutsche Sporthoffnung so sehr, dass sie den Giro beenden musste. „Den linken Schneidezahn habe ich mir komplett rausgehauen. Sie haben versucht, ihn wieder einzusetzen, er ist aber leider nicht mehr angewachsen“, sagt Niedermaier unserer Zeitung. So was passiere nun mal im Radsport.

Nach dem Sturz nahm sich die Rosenheimerin trotzdem Zeit, um darüber nachzudenken. Radfahren ging eh nicht, das Handgelenk war angebrochen. Niedermaier arbeitete mit einem Psychologen zusammen: „Das hat super funktioniert!“

In ihrem ersten Profi-Jahr hat die 20-Jährige die Erfolge nur so abgeräumt. Die Königsetappe beim Giro, eine Etappe und die Nachwuchswertung bei der Tour de L´Avenir Femmes, U23-Weltmeisterin im Einzelzeitfahren – dabei begann alles ganz anders. „Ich habe ein Pferd gehabt, Ballett getanzt, mit der Ausdauerszene hatte ich nichts zu tun.“ Doch die Verbindung zu den Bergen war schon immer da. Die Ausflüge mit der Mama, das Skitourengehen mit dem Papa. Bei ihrem Vater sah die gebürtige Bad Aiblingerin dann auch „die ganzen Medaillen in der Garage“ und dachte sich: Das will ich auch. Mit 14 Jahren nahm sie an ihrem ersten Berglauf teil. „Man geht voll an seine Grenzen, man gibt 20 bis 40 Minuten alles. Das hat seinen Reiz, wenn du oben im Ziel komplett verausgabt bist. Die Verbundenheit zur Natur ist besonders.“

Nach der Berglauf-EM in Zermatt sprach das Nationalteam der Skibergsteiger Niedermaier 2019 an, ob sie den Sport nicht mal ausprobieren möchte. Und auch hier überzeugte das Multitalent: Bronze bei der WM der Juniorinnen, Siegerin im U20-Weltcup. Der Wechsel zum Radsport folgte dann während der Corona-Pandemie. „Wenn man das nicht von klein auf lernt, ist es brutal schwer, sich im Pulk zurechtzufinden. Es dauert, bis man mit Selbstbewusstsein durch das Feld fährt.“ Das Radteam Canyon SRAM Racing ermöglicht es Niedermaier, auch mit dem Skibergsteigen weiterzumachen. 2024 wird also eine Doppelsaison, bis Februar erst mal im Schnee, dann bald wieder auf die Straße. Niedermaier arbeitet mit Dan Lorang zusammen, der Triathlon-Stars mit Jan Frodeno formte. „Er ist so ein liebenswürdiger, netter Mensch. Er achtet auf seine Athleten und unterstützt mich in jeder Hinsicht.“

Das Radjuwel hat ein Weltklasse-Umfeld und scheint zudem jeden Rückschlag wegzustecken. Im Februar musste sich Niedermaier einer Knieoperation unterziehen, die zweite nach 2019, danach folgten Stürze bei den Radrennen. Aber Antonia gibt weiter Vollgas und hat mit Paris 2024 auf dem Rad und Mailand 2026 mit dem Skibergsteigen die große Möglichkeit, an zwei Olympischen Spielen teilzunehmen.

„Mailand ist auf jeden Fall ein ganz großes Ziel. Das wäre mega cool, wenn ich auch Paris nächstes Jahr mitnehmen kann. Es ist nicht so unwahrscheinlich …“ Antonia Niedermaier – und ihr Leben auf der Überholspur.

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