„Das Kämpfen hat sich gelohnt!“

von Redaktion

24 Jahre, zwei Kreuzbandrisse: FCB-Star Giulia Gwinn über ihren Weg zurück auf den Platz

Das Jahr 2023 begann für Giulia Gwinn mal wieder mit Reha. Letztes Jahr im Oktober hatte sich die 24-Jährige bereits zum zweiten Mal das Kreuzband gerissen. Gwinn kämpfte sich zurück, und musste dann doch tatenlos zuschauen, wie die DFB-Frauen bei der Weltmeisterschaft bereits in der Vorrunde scheiterten. Mit unserer Zeitung spricht der Star vom FC Bayern über harte Phasen, die Rolle von Social Media und Spielfreude unter Horst Hrubesch.

Giulia Gwinn, was verbinden Sie mit dem 23. August in diesem Jahr?

Der 23. August? Da war mein Comeback (lacht). Da kommen sehr viele positive Emotionen wieder hoch. Und auch sehr viel Stolz. Das Comeback war noch mal emotionaler als nach meinem ersten Kreuzbandriss. Es war eine lange Leidenszeit, ich habe die Weltmeisterschaft verpasst, aber in diesem Moment merkst du: Das Kämpfen hat sich gelohnt!

Zwei Kreuzbandrisse im Alter von 24 Jahren. Denkt man sich da nicht: Warum schon wieder ich?

Wenn man ehrlich ist, gibt es diese Gedanken immer. Ans Aufhören und zu sagen: ‘Ich lasse es jetzt einfach sein’ habe ich aber nie gedacht. Weil mir der Fußball einfach viel zu viel bedeutet. Ich bin noch jung und wusste immer, dass ich noch einiges mit dem Fußball erreichen und erleben möchte. Ich hatte immer das Gefühl: Ich bin noch lange nicht fertig! Aber natürlich muss man sich auch eingestehen, dass harte Phasen dazugehören. Dass nicht immer alles so leicht geht, wie es vielleicht manchmal nicht zuletzt auf Social Media aussieht. Es gibt auch Tage, wo es einem nicht so gut geht und wo man sich erst mal durchbeißen muss.

Sie sind ein Vorbild für die jüngere Generation, Ihnen folgen über eine halbe Million Menschen. Es ist Ihnen da wichtig zu betonen, dass eine Profikarriere nicht nur aus den Hochglanzbildern von Instagram und Co. besteht?

Total. Oft sieht alles perfekt aus, jeder will sich in Social Media bestmöglich darstellen. In meiner Doku gibt es auch immer wieder Einblicke in Phasen, in denen es nicht so lief. Ganz am Anfang nach meiner Verletzung habe ich einen Post abgesetzt und den Leuten gesagt, dass ich sie einfach auf die Reise mitnehmen möchte. Da gehören positive Emotionen genauso dazu wie negative Erfahrungen.

Was haben Sie in der Rehaphase am meisten vermisst? Den Ball, den Rasen, die Gespräche in der Kabine?

Es war definitiv das Gefühl, in einem Team zu sein. Bevor ich mit dem Fußball angefangen habe, habe ich auch einige Einzelsportarten ausprobiert und da war mir schnell klar: Das möchte ich auf keinen Fall machen. In der Reha fühlst du dich wieder wie ein Einzelsportler. Jeden Tag bist du selbst dafür verantwortlich, dass du wieder ein Stück näher an dein Ziel kommst. Das tägliche Training, die Auswärtsreisen, die Gespräche im Bus, da passiert immer so viel und plötzlich kannst du nicht mehr mitreden (lacht). Zusammen Erfolge feiern, aber auch bei Niederlagen das Gefühl zu haben, dass du immer aufgefangen wirst. Das zeichnet ein Team ja aus.

Die Weltmeisterschaft haben Sie in ungewohnter Rolle als TV-Expertin verfolgt. Hat das Verpassen lange an Ihnen genagt?

Das hat definitiv an mir genagt. Dadurch, dass ich ein dreiviertel Jahr vor der WM verletzt war, habe ich mich mit diesem Gedanken aber natürlich auch schon auseinandergesetzt. Ich habe von Anfang an gewusst, dass es nicht total realistisch ist und dass ich in mich reinhören muss, ob das überhaupt Sinn macht. Der Moment, in dem beschlossen wurde, dass ich nicht dabei bin, war am Ende trotzdem schlimm. Da bin ich ehrlich, das war nicht einfach. Aber ich habe es dann gut verarbeitet und es als Chance gesehen, in anderer Rolle Teil der WM zu sein.

Als es für die deutsche Mannschaft nicht gut lief, muss es doch noch mehr bei Ihnen gekribbelt haben. Was war das für ein Gefühl, nicht helfen zu können?

Das war extrem schwierig. Beim Eröffnungsspiel war ich im Studio in Mainz, wir haben 6:0 gewonnen und alle haben gedacht, dass es vielleicht wieder ein Sommermärchen wie in England werden könnte. Man hat dann schnell gemerkt, dass es einen anderen Verlauf nimmt. Und es tut schon weh, wenn man da nicht aktiv helfen kann. Man sitzt eben am anderen Ende der Welt. Es war nicht schön, da zu sitzen und zu sehen, dass nicht alles, was eigentlich in diesem Team steckt, auf den Platz gebracht werden konnte.

Sie sind seit Ihrem Comeback wieder voll eingeschlagen. Hätten Sie damit gerechnet?

Man hofft natürlich immer, dass es so läuft. Nach meinem ersten Kreuzbandriss habe ich schnell wieder meinen Platz in der Nationalelf und bei Bayern gefunden – und meine Qualität abgerufen. Das hat mir auch jetzt wieder eine Sicherheit gegeben. Man hat viele Monate hart dafür gearbeitet, es ist ein schönes Gefühl, wenn man der Mannschaft dann wieder weiterhelfen kann.

Mit dem DFB-Team haben Sie ein großes Ziel, die Qualifikation für Olympia in Paris. Wie ist aktuell die Stimmung unter Horst Hrubesch?

Wir sind sehr positiv gestimmt. Horst lebt das vor, er hat Olympia schon mal mit der U21 erlebt. Er sagt uns immer wieder, was das für ein großartiges Ereignis ist. Das ist mit nichts zu vergleichen, da wollen wir alle hin. Und da ist er genau der richtige Trainer, uns die Spielfreude zurückzugeben. Er erinnert uns so oft an unsere enorme Qualität und daran, dass wir diese einfach nur auf den Platz bringen müssen. Horst sagt immer: Es ist schwer, mit dieser Mannschaft Spiele zu verlieren (lacht). Es ist total angenehm gerade. Er lässt uns einfach spielen und schenkt uns Vertrauen, da braucht es gar nicht besonders viele Meetings. Die Stimmung beim Nationalteam ist wirklich super, seit er da ist.

Sie haben das Sommermärchen im vergangenen Jahr angesprochen. Was muss passieren, dass der Hype nicht wieder abflacht?

Wir müssen unsere Leistung bringen, das ist die Basis. Und dann ist die Sichtbarkeit definitiv das Wichtigste. Wir müssen weiterhin die Chance bekommen, gesehen zu werden. Da sind wir auf einem super Weg. Mit DAZN RISE haben wir jetzt beispielsweise einen Kanal, auf dem alles ausgestrahlt wird. Sie haben richtig Lust, den Frauensport zu unterstützen. Und dann liegt es in erster Linie an uns, dass wir die Plattform, die wir bekommen, auch gut bespielen.

Der FC Bayern hat traditionell hohe Ziele, was ist mit Ihrem Team drin?

Ich habe einen riesigen Glauben an unsere Mannschaft. Mit diesem Team ist viel möglich, dieses Jahr, aber auch in den kommenden Jahren. Ich bin gespannt auf alles, was da kommt. Wir haben eine super Mischung, eine super Stimmung, wir sind bereit!

Interview: Nico-Marius Schmitz

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