Ein Koffer gegen das Vergessen

von Redaktion

So helfen Erinnerungsstücke des FC Bayern an Demenz erkrankten Menschen

VON HANNA RAIF

München – Am Weihnachtstisch kommen in vielen Familien alle zusammen. Da sitzt die Oma neben dem Enkel, die Mama neben dem Schwiegervater, der Braten schmeckt – und geratscht wird über alles. Manche Themen interessieren die Jungen, manche eher die Alten, und einige wenige kommen bei allen an. Wie war das noch mal damals, als nicht Thomas Müller, Harry Kane und Jamal Musiala, sondern Gerd Müller, Uli Hoeneß und Franz Beckenbauer für den FC Bayern kickten? Warum gab es früher im Europapokal Wiederholungsspiele? Und gab es wirklich mal Zeiten, in denen jemand anderes Deutscher Meister war?

Fragen wie diese sind für viele langjährige Fans leicht zu beantworten, für andere leider nicht. 1,8 Millionen Menschen in Deutschland sind an Demenz erkrankt – ihnen zu helfen, hat sich der FC Bayern in den vergangenen Monaten zur Aufgabe gemacht. Gemeinsam mit Experten wurden unter dem Leitmotiv „Forever Number One“ Erinnerungskoffer entwickelt, die Demenzkranken und deren Angehörigen gemeinsame Momente der Erinnerung ermöglichen können. Rund sechs Wochen ist es her, dass Manuel Neuer und Joshua Kimmich sie zur Verfügung stellten, die Resonanz seitdem ist groß. Anfragen von Angehörigen und sozialen Einrichtungen gingen schon zuhauf ein.

„Wir wollen Betroffenen und ihren Angehörigen helfen, Emotionen und Erinnerungen durch eine Zeitreise mit dem FC Bayern neu durchleben zu können“, sagt Herbert Hainer. Der Präsident hat sich freilich ein genaues Bild vom Inhalt des Koffers gemacht – und ist selbst in Erinnerungen geschwelgt. Unter anderem Trikots, Bälle, Einritts- und Autogrammkarten sowie Zeitungsausschnitte aus der Vergangenheit sind im „Forever Number One“-Koffer zu finden; aktuell liegt der Schwerpunkt auf dem FC Bayern zwischen den 70er- und 80er-Jahren. In den kommenden Jahren jedoch soll der Inhalt immer wieder durch neue Sammlerstücke aktualisiert und angepasst werden. Im engen Austausch mit dem FC Bayern Museum natürlich, in dem einer der Koffer dauerhaft stationiert ist. Die übrigen Exemplare werden verliehen und je nach Verfügbarkeit von ehrenamtlichen Demenzhelfern begleitet.

Ziel sei es, „diese Krankheit in der Gesellschaft präsenter zu machen, vor allem das Thema Teilhabe zu etablieren und Hemmungen im Umgang mit Demenz abzubauen“, sagt Hainer. Und auch Uli Hoeneß sieht das Projekt als „wunderbares Zeichen, dass der FC Bayern immer alles unternimmt, dass sich beim FC Bayern niemand ausgeschlossen fühlen muss“. Die „gemeinsame Leidenschaft für den FC Bayern kann hier eine Brücke sein, um Grenzen zu überwinden“. Zwischen Jung und Alt, zwischen Krank und Gesund.

Der Nutzen von sogenannter Biographiearbeit ist in der Demenzforschung wissenschaftlich erwiesen. So haben Studien belegt, dass die Beschäftigung mit originalen Zeitzeugnissen aus der Vergangenheit helfen, Emotionen zu wecken und Freude zu schenken. Dem Koffer beigelegt ist eine Grußkarte, deren Text Hoeneß eingesprochen hat. Auch vertraute Stimmen können bei Demenzkranken Erinnerungen auslösen.

Da hat der FC Bayern etwas Gutes erschaffen, pünktlich zu Weihnachten. Aber die Zeitreise der besonderen Art macht immer Spaß – nicht nur am festlichen Tisch. Anfragen können per Mail an erinnerungskoffer@fcbayern.com gestellt werden.

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