München – Es reicht ein Blick in die letzte Länderspielpause, um den Ärger von Thomas Tuchel zu verstehen. Immer wieder betonte der Trainer seit seinem Amtsantritt, dass die Belastung der Spieler nicht mehr lange gut gehe. Der Spielplan sei „an der absoluten Grenze, wenn nicht drüber“, sagte Tuchel schon damals.
Denn während die Nationalmannschaften im November ihre letzten Qualifikationsspiele austrugen, verletzten sich bei fast jedem Nationalteam die Schlüsselspieler: Eduardo Camavinga (21), Warren Zaire-Emery (17) oder Vinícius Jr. (23) hießen nur einige der Leidtragenden. In den knapp zehn Tagen der Abstellung zogen sich diese Stars teils schwerwiegende Verletzungen zu – der Spanier Gavi (19) droht nach seinem Kreuzbandriss gar die anstehende EM zu verpassen.
Doch was ist dran am sogenannten „FIFA-Virus“, wie die Blessuren aus Länderspielpausen inzwischen genannt werden? Fakt ist, dass die gestiegene Anzahl an Verletzungen nachweislich erforscht wurde. So ermittelte die Londoner Versicherungsgruppe Howden Group Holdings Ltd in einer Studie, dass Spieler, die im letzten Jahr an der WM in Katar teilnahmen, im Schnitt acht Tage länger verletzungsbedingt pausieren mussten.
Heißt: Auf drei gesunde Spieler nach der WM kommt ein Monat Verletzungspause für den nächsten. Am stärksten betroffen: Spieler aus der Bundesliga und vom FC Bayern! Und noch etwas ist neu an den Blessuren in diesem Jahr: Allein in der Verletztenliste aus dem November finden sich fast nur Talente, die unter 23 sind und eigentlich noch unverbrauchte Knochen haben müssten. Durch den Wandel des Fußballs, der immer schneller und athletischer wird, werden junge Spieler aber früher eingesetzt. Während es früher normal war, seinen Durchbruch mit Anfang 20 zu feiern, geben inzwischen regelmäßig 17-, 16- oder sogar 15-jährige Akteure ihr Debüt!
Bestes Beispiel für diesen Wandel ist Bayerns Matthijs de Ligt (24), der schon früh zum Anführer bei Ajax Amsterdam wurde und so bereits vor seinem 20. Geburtstag auf eine lange Liste an Pflichtspieleinsätzen zurückblicken konnte.
In dieser Saison verletzte sich der eigentlich so robuste Innenverteidiger zweimal am selben Knie – und reihte sich so in eine Reihe von Verletzungen ein, die die Hinrunde des FC Bayern teils arg torpedierten. Für das nächste Jahr ergibt sich damit für Thomas Tuchel und seine Trainerkollegen die Frage, wie viel Belastung sie ihren Profis noch zumuten können. vt