Innsbruck – Als sein Moment gekommen war, hob Ryoyu Kobayashi noch einmal kurz seine Hände. Als wollte der König der Flieger den Winden gebieten. Und die gehorchten ihm ja auch. Bis auf 132 Meter trugen sie ihn ins Tal. Das reichte zwar nicht ganz um Österreichs Springerfloh Jan Hörl abzufangen. Aber es reichte, um bei dieser 72. Vierschanzentournee das Kommando zu übernehmen.
Das war möglich geworden, weil sich sein deutscher Rivale Andreas Wellinger in einem durch zahlreiche Windunterbrechungen einmal mehr grenzwertigen Wettbewerb auf dem Bergisel seine erste kleine Schwäche bei diesem Turnier geleistet hatte. 132 und 126,5 Meter hatte der Ruhpoldinger am Ende in den Ergebnislisten stehen. Die Gesamtführung ist futsch, der Schaden hielt sich in Grenzen. 4,8 Punkte hat Kobayashi zwischen sich und Wellinger gelegt. Umgerechnet sind das 2,67 Meter – das ist kein wirklicher Faktor beim Finale in Bischofshofen. Auf einer Anlage, die als so etwas wie die Flugschanze der Tournee gilt.
Dementsprechend nahm Wellinger auch das Gefühl vom Berg der Tiroler mit, irgendwie mit einem blauen Auge davongekommen zu sein. „Ich habe mich in die Sprünge hineingearbeitet“, sagte er, „die Wettkampfsprünge waren die besten. Springerisch bin ich wirklich zufrieden.“ Sprachs und richtete den Blick nach vorne. „Bischofshofen mag ich, die Schanze liegt mir. Ich werde angreifen.“
Sein Trainer Stefan Horngacher sah es ähnlich. „Der Andi ist super gesprungen, er ist weiter dran“, betonte er, „jetzt fahren wir nach Boschofshofen und dann machen wir weiter.“
Klar ist aber auch – die Tournee ist vor dem Finale endgültig zu einem Duell reduziert. Lokalmatador Stefan Kraft hatte ja leise damit geliebäugelt, dass ihn ein guter Wettkampf auf seiner Heimanlage noch einmal in Position bringen könnte. Doch am Ende wurde auch er zum Opfer statt zum Nutznießer der Launen des Schicksalsbergs. 123 und 131 Meter reichten nur zu Platz sechs. „Jetzt ist es vorbei“, gab Kraft ohne sichtbaren Groll zu Protokoll. Der Weltcup-Spitzenreiter musste im Gesamtklassement sogar Tagessieger Jan Hörl an sich vorbeiziehen lassen. Der Bischofshofener wollte aber trotz aller Begeisterung über den ersten Heimsieg eines Österreichers am Bergisel seit elf Jahren („Für mich galt heute nur Sieg oder Sarg“) angesichts von über 12 Metern Rückstand auf Kobayashi auch keine Gedanken an den Goldadler verschwenden.
Für Stefan Horngachers Deutsche deckte derweil Wellingers Auftritt ein bisschen zu, dass sich die schwierige Beziehung des DSV zum Bergisel tatsächlich auch in der 72. Tourneeauflage nahtlos fortsetzt. Denn hinter dem Ruhpoldinger kam für das stärkste Team des bisherigen Weltcupwinters lange nichts. Engelberg-Sieger Pius Paschke stolperte mit einem 114-Meter-Hüpfer sogar schon im ersten Durchgang aus dem Wettbewerb. Stephan Leye rettete sich mit 123 Metern im Finale noch auf Platz 18.. Philipp Raimund erinnerte sich im zweiten Durchgang an eine alte Innsbruck-Weiheit: „Der Bergisel verzeiht keine Fehler.“ 118,5 Meter bescherten ihm den 20. Platz.
Und Karl Geiger? Der eigentlich als Mitfavorit in die Tournee gegangene Oberstdorfer konnte als 26. auch diesmal keinen Frieden mit Innsbruck schließen. Nach 120,5 Metern im ersten drückte ihn der Wind im zweiten Durchgang bei 116,5 Metern in den Schnee. „Es ist für mich jetzt ja nicht mehr kriegsentscheidend, aber Glück habe ich auch wieder keines gehabt.“ Doch das ist zumindest bis zum Samstag zweitrangig.