Am Ende konnte auch ein blitzsauberer 137-Meter-Flug im Finale das Lächeln nicht auf die Lippen von Andreas Wellinger zurückbringen. Deutschlands Vorzeige-Skispringer wusste, dass er da in Bischofshofen eine große Chance aus der Hand gegeben hatte. Bis zum Schlusstag war er dem goldenen Adler der Tournee zum Greifen nahe. Und war am Ende doch chancenlos. Weil auch diesmal genau einer besser war und sich die kleine Statue schnappte.
Fünf Mal war das den Athleten des Deutschen Skiverbandes in den letzten acht Jahren widerfahren. Olympiasiege und Weltmeistertitel hatte man in dieser Zeit eingesammelt. Aber eben nicht den Goldadler. Weil die wohl begehrteste eben auch die am schwierigsten zu gewinnende Trophäe ist. Wo sonst muss man sich zehn Tage lang derart am Limit bewegen? Nur wer acht Wettkampfsprünge nahe der Perfektion abzuliefern weiß, kann in Bischofshofen ganz oben auf dem Podest stehen.
Und nur der Platz ganz oben, das ist die gemeine Eigenheit des deutsch-österreichischen Turniers, ist der, der letztlich zählt. Weshalb sich auch Andreas Wellinger schwer tat, sich über zehn famose Tage uneingeschränkt zu freuen. Wie zuvor Severin Freund, Markus Eisenbichler oder Karl Geiger hat auch er die besondere Herausforderung der Vierschanzentournee mit seinen Plätzen eins, drei und zweimal fünf nicht ganz bestanden. Weil es diesen verflixten einen Flieger gab, der seine Auftritte noch toppte.
Man kann daraus natürlich viele Schlüsse ziehen. Sicher auch den, dass Wellinger ein Toptalent seiner Disziplin ist. Eines der größten, das es auf dem Erdball derzeit gibt, wie sein Ex-Coach Werner Schuster dieser Tage überschwänglich sagte. Er ist einer der besten, aber er ist eben nicht der unantastbare, alles überstrahlende Flieger wie der nun dreimalige Champion Ryoyu Kobayashi.
Das Gute ist: Er kann es werden. Wellinger hat in seiner Karriere viele bemerkenswerte Herausforderungen gemeistert. Zum Beispiel die, sich nach einem Kreuzbandriss wieder in die allererste Reihe seiner Disziplin zurückzukämpfen. Ein Kunststück, das vor ihm nur dem Norweger Kenneth Gangnes gelungen war. So gesehen käme es kaum überraschend, wenn der Ruhpoldinger auch die Tournee irgendwann bezwingt. Vielleicht schon zum Jahresende – dann folgt die nächste Chance.
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