München – Kaum im Amt, bekam Christian Werner vor Augen geführt, in welchem Umfeld er ab sofort dafür sorgen soll, die Löwen zumindest in der 3. Liga zu halten. Schon die Uhrzeit seiner offiziellen Ernennung als Sportgeschäftsführer war ungewöhnlich. Am Freitagabend um 21.30 Uhr verschickte der TSV 1860 einen Pressetext, der sich las, als hätten sich die Gesellschafter-Streithansel zum Wohle des Vereins zusammengerauft. Nur 45 Minuten später wusste Werner: alles eine Illusion. Von Geschlossenheit sind die Löwen weiter so weit entfernt wie von einem Aufstiegsplatz. Aber der Reihe nach.
Bei „Wer wird Millionär?“ lief das Finale der 3-Millionen-Euro-Woche, als auch die Löwen eine knifflige, seit Juli 2023 offene Frage beantworteten. In einer zu ungewohnter Stunde verschickten Mitteilung hieß es zu Werners Einstellung: „Beide Gesellschafter, sowohl der Verein wie auch die Vertreter von HAM International aus Dubai, sprechen der neuen sportlichen Leitung ihr persönliches Vertrauen aus.“ 50-Euro-Frage: Welche Passage war plötzlich verschwunden, als um 22.15 Uhr eine Neufassung versandt wurde? Wohl kein Fan, der das Hickhack um den Sportchefposten im letzten halben Jahr verfolgte, hätte zur Beantwortung einen Joker einsetzen müssen.
Kurz bevor die e.V.-Seite in der Causa Werner Nägel mit Köpfen machte, hatte die SZ enthüllt, wie seit der geplatzten Beiratssitzung am 22. Dezember auf Gesellschafterebene kommuniziert wurde. Die Kurzfassung: mit rüdem Ton, vorzugsweise über Anwälte. Ismaiks Leute hatten zunächst krankheitsbedingt die vereinbarte Zoom-Sitzung platzen lassen, danach auch einen Beschluss per Umlaufverfahren, ehe sie schließlich auch noch den Vorsitz von Robert Reisinger im paritätisch besetzten Beirat infrage stellten. Das alles sah nach einer bewusst verschleppten Entscheidung aus, weil HAM ja anders als die e.V.-Seite Werner (42) maximal für den Posten eines einfachen Sportdirektors vorgesehen hatte.
Weil 1860 aber dringend Fußballkompetenz benötigt, um wichtige Weichen zu stellen (Trainerfrage, Kaderumrüstung für Abstiegskampf), zog das Präsidium kurzerhand 50+1, wozu es laut Satzung befähigt ist, gaukelte aber per Pressemitteilung eine einvernehmliche Lösung vor. Vize Heinz Schmidt, unter Druck gesetzt von Ismaiks Anwälten, begründete seine Wortwahl in Abwesenheit von Reisinger (Asienreise) so: „Die Möglichkeit, einen Hauch von Gemeinsamkeit zumindest nach außen zu zeigen, wollte ich offenhalten.“ Ergänzt um die ernüchternd-ehrliche Aussage: „Ich weiß jetzt wieder mal, dass das nicht gewollt ist, werde aber an meiner blauäugigen Illusion festhalten.“
Werner also ein Sportchef, der nur den Rückhalt der einen Gesellschafterseite genießt? So muss man deuten, was die HAM-Anwälte noch in der Nacht über Schmidts Harmonie vorspiegelnde Erstfassung schrieben („Falschmeldung!“). Ismaik selbst ordnete die Posse am Tag danach mit eigenen Worten ein. „Anders als in der Presse kolportiert“ sei der Beirat sehr wohl „handlungsfähig gewesen“, teilte er mit. Auf konstruktive Vorschläge seiner Leute habe es „leider keine Antwort“ gegeben. Ismaik folgert daraus, dass die e.V.-Seite nun „allein die Verantwortung für Erfolg oder Misserfolg dieser Personalentscheidung tragen muss“.
In seiner ersten Amtshandlung transferierte Werner Tarsis Bonga nach Halle. Dass Ismaik dem neuen Sportchef „alles Gute für seine Aufgabe“ wünscht, verbunden mit der Hoffnung „auf seinen und damit unseren gemeinsamen Erfolg“, kann Annäherung bedeuten – die Passage ist bis jetzt zumindest nicht widerrufen worden.