Wie viele Menschen ihn wohl gekannt haben, als er spielte? Und danach noch, als er Trainer war und anschließend als Meinungsinstanz über dem großen Fußball schwebte? In Deutschland dürfte der Name Franz Beckenbauer allen vertraut und global bis in die hintersten Winkel ein Begriff gewesen sein. Pele, dann der „Kaiser“ – mit dieser Rangfolge der Allzeit-Besten wuchsen ganze Generationen auf.
Schon in der Blüte seiner Jahre konnte Franz Beckenbauer auf ein Lebenswerk blicken, das die Züge der Unvergänglichkeit trug. Die Eleganz des Sportlers auf dem Rasen, seine Positionierung in der Gesellschaft, der Durchblick als Trainer, die Fähigkeit, die Politik für den Fußball zu gewinnen, und seine Art, aufrichtige Freundlichkeit im Umgang mit den Fans mit Verächtlichkeit für Besserwisser zu vermischen – das führte zur hohen Identifikation der Deutschen mit Franz Beckenbauer. Sie waren stolz auf ihn, sie vertrauten ihm. Einer von uns, bisweilen ein Monacofranze-artiger Stenz, ein Luftikus und Zornickel – und doch ein höheres Wesen. Franz Beckenbauer hat mit seiner Fehlbarkeit unterhalten und seinen Erfolgen fasziniert.
Man sagt den Deutschen nach, dass sie ihre Idole irgendwann aber stürzen sehen wollen. Bei Franz Beckenbauer war das nicht unbedingt so. Weil man ihn ja stets mit seinen Schwächen wahrgenommen hatte. Man hat länger und entschlossener am Bild von ihm festgehalten als bei Boris Becker. Wahrscheinlich auch, weil die Umstände, wie Deutschland an die WM 2006 kam, im Vagen blieben und Beckenbauers mögliche eigene Käuflichkeit in der Exekutive der FIFA nicht gerichtsfest wurde. Und es gab immer eine treue Riege fürsprechender Weggefährten aus seiner großen Zeit. Trotzdem dürfen die späten Jahre nicht ignoriert werden. Zur Aufklärung dubioser Geldflüsse rund um die WM 2006 trug Beckenbauer nicht bei, zu seinem Anteil, dass zwei WM-Turniere (2018, 2022) in Staaten landeten, in denen sie besser nicht stattgefunden hätten, schwieg er sich aus. Es gibt Wahrheiten, die zu erfahren die Öffentlichkeit ein Recht gehabt hätte – er nimmt sie nun mit ins Grab. Franz Beckenbauer geht nicht überführt, aber auch nicht entlastet. So muss ein jeder, der über den Verstorbenen nachsinnt, entscheiden, welchen Franz Beckenbauer er in Erinnerung behält.
Absehbar ist: Die nächsten Tage werden eine Welle an Rückblicken erleben. Sie werden mehr würdigenden als abrechnenden Charakter haben. Doch die berechtigte Kritik beweist wie die Eloge: Franz Beckenbauer war von überragender Bedeutung.