München – Die Sonne scheint Anton Stach ins Gesicht, als er sich zum virtuellen Interview vor einem PC in Hoffenheim einfindet – und das Setting passt bestens zum Gemüt des 25 Jahre alten Mittelfeldspielers mit besonderer Familiengeschichte. Papa Matthias ist ein bekannter Sport-Kommentator, seine Schwestern mischen die Basketball-Szene auf und früher wandelte Stach auf den Spuren von Alexander Zverev: Der Nationalspieler, der mit der TSG an diesem Freitag (20.30 Uhr) zum Start ins Fußball-Jahr beim FC Bayern gastiert, hat viel zu erzählen.
Herr Stach, die Bayern zum Start ins Fußball-Jahr – ist das Fluch oder Segen für Sie und Hoffenheim?
Sicherlich beides (lacht). Wir wollen aber auf jeden Fall gut ins neue Jahr 2024 starten und bestenfalls etwas aus München mitnehmen. Aber wir wissen natürlich, dass die Bayern ähnlich denken und genauso gut ins neue Jahr kommen wollen. Wir brauchen definitiv eine Topleistung und dann auch noch das nötige Quäntchen Glück.
Es wird sich rund um das Spiel alles um den Tod von Franz Beckenbauer drehen. Lenkt das auch den Gegner ab?
Ich sehe es ehrlich gesagt ähnlich wie unser Trainer: Sobald wir auf dem Platz sind, wird jeder Einzelne im Tunnel und voll auf den Sport fokussiert sein. Trotzdem ist die Nachricht natürlich eine traurige, für die Bayern, aber auch für die ganze Fußball-Welt. So eine Ikone verloren zu haben, tut weh. Es wird ein sehr emotionales Spiel für alle werden.
Was hätte Beckenbauer sich für das erste Spiel nach ihm gewünscht?
Ein spannendes Spiel – aber mit Sicherheit eines, das die Bayern gewinnen (lacht). Er hätte sicher gesagt: ‚Geht’s raus und spielt’s Fußball!’
Sie sind 25, haben Beckenbauer weniger erlebt als die Generation davor. Was bedeutet Beckenbauer für junge Fußballer?
Ich habe natürlich auch viel über ihn gehört, gesehen und gelesen. Natürlich alles nicht live zu aktiven Zeiten, aber ich habe viele Videos von ihm gesehen, von seiner Spielweise, davon, wie er den Fußball geprägt hat. Das greift von Generation zu Generation über – auch zu meiner. Es gibt viele Ikonen, aber Franz Beckenbauer war schon etwas ganz Besonderes.
Nun dreht sich die Fußball-Welt ohne ihn weiter. Hoffenheim hat keine schlechte Hinrunde gespielt, aber gegen Dortmund, Frankfurt, Leverkusen und Leipzig verloren. Spüren die Bayern nun den Lerneffekt aus diesen Partien?
Was die Punkte betrifft, stehen wir nicht schlecht da, das ist absolut richtig. Aber gerade gegen die Topteams haben am Ende immer ein paar Prozent gefehlt. Das gilt es im besten Fall schon jetzt gegen die Bayern zu verändern. Wir hätten es schon in der Vergangenheit mehrfach auch gegen die großen Teams wie Leverkusen oder Dortmund verdient gehabt, Punkte einzufahren. Aber wir müssen vom Kopf her noch bereiter, einen Tick wacher und aggressiver sein.
Ist Ihnen bewusst, dass die Hoffnung von Fußball-Deutschland auf Hoffenheim liegt? Ein Sieg – und der Meisterkampf ist ab dem Start 2024 spannend.
Die Saison ist noch so lang – da liegt es sicherlich nicht nur an uns (lacht). Und ich glaube, dass es sowieso spannend wird, weil Stuttgart und Leverkusen es bislang auch richtig gut machen. Trotzdem wollen wir am Freitag natürlich etwas Zählbares mitnehmen.
Am letzten Spieltag könnte Hoffenheim dann die Rolle des Meister-Spielverderbers zukommen.
Stimmt (lacht). Womöglich sind wir das Zünglein an der Waage – so wie Mainz beim BVB im vergangenen Jahr.
Sie sind aus Mainz zu Hoffenheim gegangen, weil sie auf der Sechs spielen wollten. Um im Münchner Jargon zu bleiben: Sind Sie eine „holding six“?
Ja, das kann man sicherlich so sagen (lacht). Wobei ich mich persönlich eher als Zwischending zwischen Sechser und Achter bezeichnen würde. Ich habe beides verinnerlicht und häufig gespielt.
So gut, dass Ihr Name im Sommer im Bayern-Umfeld fiel. Waren Sie geschmeichelt, als Didi Hamann Sie nannte?
Das habe ich damals lustigerweise gar nicht richtig mitbekommen. Aber mein damaliger Trainer in Mainz, Bo Svensson, hat es danach – natürlich nicht böse gemeint – ein bisschen belächelt. Da stand allerdings nie etwas im Raum. Aber natürlich gibt es schlechtere Gütesiegel, als im Zusammenhang mit dem FC Bayern genannt zu werden.
Hamann sagte: ,Es ist ein Arbeiter, wie ihn der Kader der Bayern nicht hat. ’
Ich bin auf dem Rasen schon ein Arbeiter, da hat er Recht. Aber ich denke, dass auch der FC Bayern genug Arbeiter in seinen Reihen hat. Konrad Laimer zum Beispiel. Ein bisschen kicken kann ich aber auch (schmunzelt).
Wie stehen Sie einer Rückkehr von Toni Kroos in die Nationalmannschaft gegenüber? Noch einer mehr auf Ihrer Position wäre nicht förderlich, oder?
Wir wissen alle, was Toni für eine Qualität hat. Er spielt immer noch auf Weltklasse-Niveau, ist ein überragender Spieler. Wie jedoch seine eigenen Gedankenspiele bezüglich einer DFB-Rückkehr sind, kann ich nicht sagen.
Hoffen Sie noch auf eine EM-Teilnahme?
Ich habe immer gesagt, dass die EM im eigenen Land ein Traum und mein Ziel sind. Deshalb versuche ich, bis zum Tag der Entscheidung im Verein alles rauszuholen, was geht, und mich Woche für Woche von meiner besten Seite zu zeigen.
Ihr Debüt gaben Sie unter Hansi Flick – besteht Kontakt zu Julian Nagelsmann?
Seit seinem Amtsantritt als Bundestrainer noch nicht.
Ihre Schwestern aber pushen schon zu mehr Länderspielen, oder?
Und wie. Ich bin in der Familie mit zwei Länderspielen ja die klare Nummer drei (lacht).
Ihre beiden Schwestern sind Basketballerinnen. Wie kann man sich das vorstellen: Lief früher immer Sport im TV?
Natürlich! Sport begleitet uns schon unser Leben lang, mein Vater hat ja selbst Leistungssport betrieben und als Kommentator nicht nur Tennis und Fußball, sondern auch Basketball, Radsport, Schwimmen und andere Sportarten live begleitet. Bei uns zu Hause geht es immer um Sport, Sport, Sport. Meine Mama ist da so ein bisschen der Gegenpol. Sie ist Künstlerin, da geht’s dann mal um andere Themen. Wobei sie, wenn sie einem von uns zuschaut, wahrscheinlich die nervöseste ist (lacht).
Sie haben lange Fußball und Tennis parallel gespielt, mussten sich dann entscheiden. Wie wäre ein Duell mit Alexander Zverev ausgegangen?
Ich habe ihn früher häufiger auf Turnieren gesehen, er war immer ein, zwei Jahrgänge über mir. Aber wir haben nie gegeneinander gespielt. Ich denke schon, dass er gewonnen hätte – aber ich wäre definitiv ein ekliger Gegner gewesen (lacht).
Ihr Vater gilt als Ihr größter Kritiker. Was würde eigentlich passieren, wenn er Sie mal lobt?
Dann würde ich ihm sagen, dass das so nicht geht (lacht). Nein, im Ernst: Das macht er ja auch. Er hat da eine gute Mischung und weiß, was mich weiterbringt. Wenn ich dann mal irgendwann ein absolut überragendes Spiel gemacht habe, ohne einen Fehler, würde er mir das sagen. Aber es kam bisher noch nicht vor (lacht).
Bei einem Sieg gegen die Bayern würde er aber doch loben, oder?
Das ganz bestimmt – wenn auch meine Leistung gut war!
Interview: Hanna Raif