Den Weltrekord-Auftakt wird so schnell niemand vergessen. Über 53 000 Zuschauer entfalteten die Wucht, die sich die EM-Organisatoren erhofft hatten. Und sogar noch mehr. Denn völlig locker – vielleicht mit Ausnahme von Torwart-Krake Andreas Wolff – wirkte am Mittwoch niemand in der für Handballverhältnisse überdimensionierten Düsseldorfer Arena. Selbst die so abgezockten Franzosen, die „nur“ das Vorspiel absolvierten, mussten erst einmal tief durchatmen. Die DHB-Stars überschlugen sich gar in dem Versuch, das Erlebte zu beschreiben. Ein kleiner Auszug: „Das Krankeste, das ich je erlebt habe“ (Dahmke). „Das nehme ich mit ins Grab“ (Weber). Oder: „Wirklich, wirklich brutal. Das werde ich nie vergessen“ (Wolff). So manch Fußballstar lächelt vermutlich etwas in sich hinein, wenn er das liest. 50 000 Fans? Ein Klacks. Wenn auch nicht unter geschlossenem Dach.
Rein sportlich betrachtet werden erst die nächsten Tage zeigen, mit viel Nachdruck der Kantersieg über die Schweiz, die aus welchen Gründen auch immer weit, weit unter ihren Möglichkeiten blieb, wirklich im Turnier wirkt. Nordmazedonien, der kommende Gegner, darf kein Stolperstein werden, wenn man von einer Medaille träumt. Auch wenn Wolff fleißig warnte. Frankreich zum Abschluss der Hauptrunde hingegen ist ein echter Gradmesser. Verliert man dort Punkte, könnte es in der Hauptrunde, aus der nur die besten zwei ins Halbfinale kommen, schon wieder eng werden. Den eiskalten Nordlichtern (Dänemark, Norwegen, Schweden) geht man dort dank der Auslosung zwar aus dem Weg, aber die heißblütigen Süd-Vertreter (Spanien und Kroatien) sind wahrscheinlich ebenfalls harte Brocken.
Wichtig für Bundestrainer Gislason: Seine Schlüsselachse Wolff-Köster-Knorr-Golla hat bestens funktioniert und harmoniert. Auch der „zweite Anzug“ warf sich mutig in die (schon entschiedene) Partie. Der erste Schritt ist also gemacht. Wie schwer der sein kann, beweist ein Blick in die Historie. Beim Heim-WM-Triumph 2007 startete man mit zwei spielerisch überschaubaren Siegen und der Pleite gegen Polen. Beim EM-Coup 2016 stand die DHB-Truppe nach drei Halbzeiten kurz vor dem Aus. Das aktuelle Team ist qualitativ sicher nicht schlechter. Eine Garantie ist das aber noch lange nicht. Nächster Stopp: Mercedes-Benz-Arena in Berlin. Knapp 15 000 Zuschauer. Fast schon ein Klacks.
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