München – Die Deadline, das hat Thomas Tuchel schon am Wochenende gesagt, ist längst überschritten. Am liebsten am „2. Januar“ hätte der Trainer des FC Bayern die gewünschte Verstärkung für seine ausgedünnte Defensivabteilung gehabt – nun ist es der 11. Januar geworden. Gestern gegen 10.15 Uhr hat Eric Dier Münchner Boden betreten, nach dem obligatorischen Medizincheck im Krankenhaus Barmherzige Brüder unterschrieb der 29-Jährige an der Säbener Straße einen Vertrag, der zunächst bis Saisonende läuft und eine Option auf ein weiteres Jahr beinhaltet. Dier soll laut „Sky“ nach Einsätzen entlohnt werden, insgesamt soll sein Engagement bis Saisonende die Münchner maximal drei Millionen Euro kosten. Für Tuchel war die Ankunft des Innenverteidigers am Tag vor dem Auftakt gegen Hoffenheim (Freitag, 20.30 Uhr/Sat.1, DAZN), bei dem Dier wohl noch nicht im Kader steht, eine Erlösung – aber noch nicht die Erfüllung.
Die Situation gestern Vormittag war schon ein wenig paradox. Denn als Dier von Bayern-Mitarbeitern durch die Stadt gefahren wurde, war Tuchel auf der Pressekonferenz gefragt – und sichtlich bemüht, noch nicht allzu euphorisch zu klingen. Man sei an dem Deal dran, „um eine Alternative für unseren Kader zu bekommen“, sagte der 50-Jährige, fügte aber aus gutem Grund an: „Alles Weitere würde ich abwarten, bis die Tinte trocken ist.“ Dass Dinge „im letzten Moment noch schiefgehen können“, habe man am Deadline-Day der Sommer-Transferperiode gesehen, an dem Joao Palhinha eigentlich schon Bayer war – und es dann doch nicht wurde. Bei Dier sollten die Dinge anders laufen. Ein Mann wie der Kumpel von Harry Kane wurde mehr als dringend gesucht. Der Innenverteidiger soll vor allem die Lücke schließen, die der zum Asien-Cup abgestellte Minjae Kim hinterlässt, könnte aber auch außen spielen, wo Noussair Mazraoui (Africa-Cup) fehlt.
„Eric wird ein wertvoller Bestandteil unserer Defensive sein. Seine sportlichen Fähigkeiten und seine internationale Erfahrung werden der Mannschaft sowohl auf dem Platz als auch in der Kabine weiterhelfen“ – so wurde Sportdirektor Christoph Freund in der offiziellen Mitteilung am Abend zitiert. Und Dier ließ verlauten: „Für mich wird mit diesem Wechsel ein Traum wahr.“ Einer, dessen Erfüllung gedauert hat. Denn Dier stand schon im Sommer auf der Liste der Bayern. Er klingt nicht nach Königslösung, intern aber waren sich Tuchel und Freund einig, dass der Ex-Tottenhamer ein passender Mann für den jetzigen Zeitpunkt ist – und zwar nicht erst nach der Absage von Radu Dragusin. Weiter arbeiten die Bayern an der Verpflichtung eines Mannes für rechts außen, aller Voraussicht nach Nordi Mukiele von PSG.
Dass der Deal bis zur Abreise ins Trainingslager am Sonntag klappt, ist jedoch unwahrscheinlich. Und Tuchel gab gestern zu: „Geduld ist nicht meine stärkste Tugend.“ Es sei nur logisch, dass „jeder Trainer immer am ersten Tag alle Spieler haben will – aber das wird nie passieren“. Auch er selbst sei über die Jahre – und insbesondere in den zehn Monaten in München – „schon geduldiger geworden“, sagte er. Das wird auch intern vernommen. Wie unsere Zeitung erfuhr, kommt Tuchels Entwicklung – kooperativer, konstruktiver, kommunikativer – auch in der Führungsebene an. Allerdings ist man sich auch da bewusst, dass sich der wahre Charakter von Menschen eher in schweren Zeiten zeigt. Daran, dass diese in der Rückrunde nicht kommen werden, arbeitet man derzeit mit Hochdruck. Auf dem Platz – und daneben. Dier ist erst der Anfang