Wengen – Mit blutigen Schrammen an Nase, Kinn und Lippe lächelt Aleksander Aamodt Kilde etwas schief in die Handykamera von Freundin Mikaela Shiffrin. Der Skirennfahrer liegt in einem Krankenbett in Bern, ein kleiner Schlauch versorgt den Norweger über die Nase mit Sauerstoff.
Der Selfie-Schnappschuss vom Sonntagmorgen lässt die Ski-Welt vorsichtig aufatmen, nachdem sie vom Sturz Kildes bei der Abfahrt am Samstag in Wengen geschockt worden war. Just vor dem Wochenende auf der gefürchteten Streif in Kitzbühel ist mal wieder eine Sicherheitsdebatte entbrannt. Ziel der Kritik ist der Weltverband Fis.
Aber das Wichtigste zuerst: Kilde ist bei seinem Unfall kurz vor dem Ziel glimpflicher davongekommen als befürchtet. Der 31-Jährige zog sich eine Schnittwunde in der Wade zu und kugelte sich die Schulter aus, wie der norwegische Verband mitteilte. Der Sportler wurde bereits operiert. „Er hat keine Brüche, aber ist verletzt“, sagte der norwegische Teamarzt Marc Jacob Strauss.
„Bin zusammengeflickt“, schrieb er der Norweger bei Instagram. „Ich bin dankbar für all die Worte der Liebe und der Unterstützung. Dieser Sport kann brutal sein, aber ich liebe ihn dennoch.“
Der Unfall hatte auch deshalb für Entsetzen gesorgt, weil es Kilde als Abfahrts-Dominator der vergangenen Jahre traf. Gerade bei ihm war nicht erwartet worden, dass er auf der schwierigen und kräfteraubenden Lauberhorn-Abfahrt in Wengen Probleme bekommt – auch wenn er gesundheitlich ein wenig angeschlagen war.
„Ich hoffe, dass es eine Lektion ist, hier nie mehr drei Rennen zu fahren“, sagte Sieger Marco Odermatt. „Nicht mehr normal“ fand der zweitplatzierte Cyprien Sarrazin aus Frankreich das aktuelle Pensum. Renndirektor Markus Waldner kündigte bereits an, künftig auf solche XXL-Stationen zu verzichten. „Das war zu viel.“ Auch der deutsche Chefcoach Christian Schwaiger kritisierte: „Das Programm, das wir derzeit fahren, ist Wahnsinn.“
Genau an Kildes Unfallstelle war 1992 der junge Österreicher Gernot Reinstadler tödlich verunglückt – damals waren die Sicherheitsmaßnahmen freilich weniger elaboriert als heute.
In Bormio Ende Dezember kam der Österreicher Marco Schwarz zu Fall und verletzte sich schwer am Knie. Am Freitag in Wengen erlitt der Franzose Alexis Pinturault ebenfalls einen Kreuzbandriss und fällt wie Schwarz monatelang aus. Und nun also Kilde. „Wir haben jetzt drei Superstars in drei Rennen verloren“, erinnerte Trainer Schwaiger. Der Vorfreude auf Kitzbühel in der neuen Woche ist getrübt.