Gegen die Leverkusenhaftigkeit

von Redaktion

Bayer lässt sich auch von widrigen personellen Umständen nicht aufhalten

VON GÜNTER KLEIN

Augsburg – Lukas Hradecky hat das alles so ähnlich schon einmal miterlebt. Im sechsten Jahr dient der finnische Torwart mit slowakischen Wurzeln dem TSV Bayer Leverkusen, inzwischen ist er Kapitän des Teams – und er kennt diese guten Phasen, in denen man durch die Bundesliga schwebt und wirkt wie die Mannschaft, die es sogar dem FC Bayern zeigen könnte. „Aber es war dann immer so, dass wir leichtsinnig geworden sind.“ Daher richtete er am Samstag in Augsburg an die Mitspieler die Botschaft: „Wir müssen seriös bleiben.“

Die Leverkusener sind durch ihren 1:0-Sieg in Augsburg Hinrundenmeister, die Bayern, die noch das Nachholspiel gegen Union Berlin im Kalender stehen haben, können nicht mehr gleichziehen. Das Besondere am 17. Bundesligaspiel Bayers in dieser Saison war das Statement gegen die eigene Vorgeschichte, bei aufkommendem Gegenwind ins Wackeln zu geraten; erfolgreich spielte Leverkusen gegen seine Leverkusenhaftigkeit an. Der Treffer des Tages fiel in der vierten Minute der Nachspielzeit. Trainer Xabi Alonso wollte nichts davon hören, dass das die Frucht des Glücks sein könnte und es statt des Bayern- nun einen Bayer-Dusel gibt. „Es war ein Reward“, sagt er. Übersetzt: Belohnung. Sportdirektor Simon Rolfes: „Wir haben bis zur letzten Sekunde daran geglaubt, die Situationen haben sich gehäuft. Wir hatten die Ruhe, Augsburg hinten reinzu drängen – und dann gibt es die Situation, die der Gegner nicht verteidigen kann.“

Und so fand in der 94. Minute eine Passstafette von Bayer im FCA-Strafraum ihre Vollendung durch Exequiel Palacios. Rolfes: „Er nimmt den Ball fantastisch an und macht ihn mit der nächsten Bewegung mit dem anderen Fuß rein.“

Palacios, 25, ist Argentinier und der einzige amtierende Weltmeister in der Bundesliga. Dafür ist er noch ziemlich unbekannt, auch in Leverkusen richtete sich der Fokus meist auf andere: das Supertalent Florian Wirtz, den Torjäger Victor Boniface, die Vorlagenmaschinen Grimaldo und Frimpong, den Strategen Granit Xhaka. Nun fehlen ja etliche: Koussounou, Adli und Tapsoba sind beim Afrika-Cup, Boniface sollte für Nigeria spielen, verletzte sich in der Vorbereitung und wird bis April ausfallen. Xabi Alonso musste eine völlig neue Abwehr bauen, in der Robert Andrich, bislang Mittelfeld-Backup, den Chef gibt, vorne springt nach langer Rekonvaleszenz Patrik Schick ein. Aus der Achse brachen dann auch noch Florian Wirtz, der angeschlagen war und erst ab der 62. Minute mitwirken konnte. Er blieb die einzige Einwechslung.

Leverkusen führte sein Konzept der absoluten Dominanz fort – obwohl die Augsburger gut gegenhielten, in einer Szene (Tietz, 70.) sogar trafen, aber an ein paar Zentimeter Abseits und somit dem VAR scheiterten. „Auch bei einem 0:0 wäre es ein gutes Spiel von uns gewesen“, befand Torwart Hradecky. Das 1:0 schmeckte ihm „besser als ein 3:0, 4:0“, der unbeirrt erzwungene knappe Erfolg „schafft noch mehr Selbstbewusstsein. Es ist etwas entstanden in der Mannschaft.“ Etwas, das es in Leverkusen vielleicht doch noch nicht gab.

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