Berlin – Seine Erfolgsformel für das Kracherspiel gegen Olympiasieger Frankreich? „Kein Hokuspokus“, sagte Alfred Gislason. Während Deutschlands Handballer um Spielmacher Juri Knorr dem immens wichtigen Endspiel um den Gruppensieg entgegenfiebern, ist der Bundestrainer um Normalität bemüht. Doch das war am Montag gar nicht so einfach.
Zum einen wirbelte der Berliner Bauern-Aufstand das Programm des DHB-Teams durcheinander. Zum anderen können Knorr und Co. ihre fast kindliche Vorfreude nicht verbergen. Im Duell mit den französischen Superstars um den alternden Nikola Karabatic wollen die DHB-Youngster ihren EM-Traumstart veredeln.
„Was gibt es eigentlich Schöneres?“, fragte Knorr mit leuchtenden Augen: „Es wird ein krasses Spiel.“ Beim Gegner seien „Jungs dabei, die habe ich als Vorbilder, als Idol – und ich glaube, viele andere von uns aus der Kabine auch.“ Die Medienaktivitäten verlegte der Verband wegen der Bauern-Proteste kurzerhand von der Mercedes-Benz-Arena ins Teamhotel.
Wenn es am Dienstag (20.30 Uhr/ARD und Dyn) in der Hauptstadt gegen den Rekordweltmeister um den Gruppensieg in der Vorrunde und auch schon wichtige Punkte im Kampf um das Halbfinale geht, braucht das deutsche Team laut Gislason einen „perfekten Tag“ und eine „Riesenleistung“. Nach elf Jahren ohne Sieg gegen „Les Experts“ bei einem großen Turnier wird es höchste Zeit.
Das bittere WM-Aus im Viertelfinale von Danzig vor genau einem Jahr (28:35) sorgt im deutschen Team für zusätzliche Motivation. „Es wäre natürlich schön, wenn wir uns hier revanchieren könnten“, sagte Torhüter Andreas Wolff, er ahnt aber schon, dass die Franzosen „uns gerade in Deutschland unbedingt einen Strich durch die Rechnung machen wollen“.
Dies kann Karabatic nur bestätigen. „Es ist immer geil, wenn du gegen die Heimmannschaft spielst“, sagt der inzwischen fast 40 Jahre alte Ex-Kieler. Das völlig überraschende Remis gegen die Schweiz (26:26) stachelt die Franzosen an – es setzt sie aber auch unter Druck. „Wir müssen gewinnen, um weiterzukommen“, so Karabatic: „Ich hoffe, dass wir nicht nach Hause fahren müssen.“
Während Frankreich sein Hauptrunden-Ticket tatsächlich noch nicht sicher hat (allerdings zwei Punkte und 23 Tore Vorsprung auf die Schweiz), geht es für Deutschland schon um die Halbfinal-Chance. Da die Punkte gegen die ebenfalls qualifizierten Teams in die nächste Turnierphase mitgenommen werden, wäre ein weiterer Sieg doppelt wichtig. Die tollen Auftritte gegen die Schweiz (27:14) und Nordmazedonien (34:25) zählen in der Hauptrunde wahrscheinlich nichts.
„Wir haben noch nicht so viel erreicht“, betont Knorr. Man habe „unsere Hausaufgaben irgendwo gemacht“, doch ab jetzt geht es nur noch gegen Top-Teams. „Da wird sich zeigen, wie gut wir wirklich sind“, sagte der Torjäger, der in den beiden bisherigen Turnierspielen jeweils treffsicherster Schütze (6 und 10) war. Besteht das deutsche Team auch seine dritte und bislang schwerste EM-Prüfung, „können wir es vielleicht zu dem Wintermärchen machen, das wir uns alle irgendwie wünschen“. sid