Die Münchner Rennfahrerin Laura-Marie Geissler (unter anderem 2021 mit einem ersten und dritten Platz bei der Porsche Sprint Challenge) hatte genug vom Sponsorensystem im Motorsport. Und entwickelte ein innovatives System mit Hilfe von Kryptowährung. Doch der Plan ging nicht auf. Im Interview mit unserer Zeitung spricht die 25-Jährige über das Scheitern, eine beengende Situation und neue Wege.
Laura-Marie Geissler, wie ist Ihr Jahr 2023 verlaufen?
Es war ein sehr schwieriges Jahr für mich. Ich hatte einige Projekte in der Pipeline, der Bärenmarkt hat mir zu 99 Prozent alles zerhauen. Ich habe es gerade mal geschafft, ein Rennen zu fahren. Ich musste mich komplett neu aufstellen.
Sie hatten ein innovatives Sponsoring-Konzept für den Motorsport entwickelt. Können Sie das noch mal erklären?
Ich hatte schon immer Probleme mit den Sponsorenkonzepten. Viele Sponsoren wollten mich nur wegen der Optik. Ich habe nie die Nachfrage bekommen, wie gut das Auto ist oder wie gut ich positioniert bin. Denen ging es um PR, da ich die einzige Frau bin. Als Sportlerin hat mich das nicht weitergebracht. Aufgeben war für mich aber keine Option. Ich habe die Sponsoren vom Auto runtergeschmissen und mit dem Design auf die Objektifizierung aufmerksam gemacht. Ich habe das Auto dann als NFT (ein digitales Kunstwerk, Anm. d. Red.) digitalisiert. Leute, die das NFT kaufen, haben mich unterstützt und gleichzeitig exklusive Einblicke in mein Motorsportleben bekommen.
Und dann kam der Crash der Kryptowährung …
Ich hatte das Geld als Kryptowährung rumliegen, und das Geld wurde immer weniger wert. Auch das Geld, was ich noch über hatte vom letzten Jahr. Und keiner wollte mehr etwas kaufen. Somit konnte ich immer weniger Schulden zurückzahlen. Mir war klar, dass das Ganze volatil ist und ich Probleme bekommen kann. Ich habe mich mental schon darauf vorbereitet. Ich hätte aber nicht gedacht, dass das so schnell passiert.
Sie haben wieder ein neues Auto designt, was ist der Gedanke dahinter?
Das Auto ist in Fesseln gesetzt, die verengte gesellschaftliche Normen visualisieren sollen. Und einengende Sponsorenverträge. Als ich das Auto designt habe, war ich in der kompletten Schockstarre, da es zu den NFT-Problemen kam. Das Auto ist so gefesselt wie ich in der kompletten Struktur. Die Situation war beengend. Natürlich hat man sich gefragt: Warum macht man den ganzen Bums noch? Warum hörst du nicht auf? Mir war klar, es geht nicht darum, die schnellste Rundenzeit zu fahren. Weil da gibt es einfach Leute, die besser sind. Es gibt auch immer Leute mit mehr Geld.
Worum geht es Ihnen?
Jeder redet immer davon, dass wir mehr Frauen im Motorsport brauchen. Aber niemand tut was dafür. Das fängt schon bei banalen Dingen wie einem passenden Rennanzug für Frauen an. Niemand unterstützt so Leute wie mich. Das Motto ist „Race your Voice“. Ich will die Stimme erheben und auf die Probleme aufmerksam machen. Ich will den Motorsport für irgendwas Übergeordnetes zu nutzen. Sonst ist es schon sehr platt, immer für dieselben Sponsoren zu fahren, die sich eh nicht für einen interessieren.
Ihre Herangehensweise wird auch von vielen Seiten gelobt, unter anderem haben Sie es auf die Forbes-Liste „30 unter 30“ geschafft.
Forbes war das Krasseste, was ich je erreichen wollte. Man muss realistisch sein: Ich habe einfach nicht das Training, um mal die schnellste Rundenzeit zu fahren. Ich weiß nicht, welchem Ziel ich da hinterherrennen will. Aber ich habe meinen Kopf. Und ich will mir die Grundlagen sichern, dass ich irgendwann mal bei Le Mans fahren kann. Dafür muss erstmal das Wirtschaftliche passen. Und das muss ich jetzt erst mal stabil und nachhaltig aufbauen.
Was nehmen Sie aus dem Jahr 2023 mit?
Ich habe gelernt, durchzuhalten. Mit der Tech-Komponente bin ich in einem super dynamischen Markt. Jede zweite Idee wirft es mir gleich wieder über den Haufen. Ich hatte in dem Jahr Angst. Ich habe vorletztes Jahr ein cooles Projekt umgesetzt, von dem ich dieses Jahr in der Wahrnehmung der Leute noch profitieren konnte. Dieses Jahr konnte ich kein cooles Projekt umsetzen, das Auto ist viel zu wenig gestartet. Wie trägt sich das in 2024 rein? Wie viele Leute habe ich dadurch verloren? Wie vielen Leuten konnte ich es nicht recht machen? Es kann sein, dass ich nächstes Jahr echt noch mal eine Backpfeife bekomme.
Sie reden sehr offen über Ihre Situation. Haben Sie sich Hilfe bei einem Mentaltrainer genommen, um das alles zu verarbeiten?
Ein Mentaltrainer kostet ja auch wieder Geld. Ich muss da jetzt einfach irgendwie durchhalten und meine finanzielle Situation stabil halten. Warum ich da so offen drüber spreche? Nur mit offenen Karten können die Leute nachvollziehen, warum gewisse Dinge so gelaufen sind, wie sie gelaufen sind. Soll ich jetzt immer sagen: Hey, war alles voll super? Lass uns Fehler machen, lass uns draus lernen. Ich werde im Motorsport bleiben, ich will immer einen positiven Gedanken reintragen. Ich will Frauen miteinbinden. Der Rest wird schwierig bleiben, vermutlich auch mal wieder in die Hose gehen. Aber ich glaube fest daran, dass ich irgendwann 100 Prozent Freude an diesem Projekt haben werde.
Interview: Nico-Marius Schmitz