München – Für Murat Yakin war die Sache klar – und zwar schon mehr als ein halbes Jahr, bevor der Ball bei der EURO in Deutschland rollen wird. „Yann Sommer ist die Nummer Eins und wird das auch bleiben. Er wird an der EM im Tor stehen“, sagte der Trainer der Schweizer Nationalmannschaft im Dezember. Warum auch unnötig Spannung aufbauen, wenn man sich sicher ist. Denn Zweifel daran, dass er nach wie vor einer der Besten ist, lässt Sommer – der vor genau einem Jahr beim FC Bayern anfing und inzwischen bei Inter Mailand im Tor steht – wirklich nicht.
Schon der Start verlief für den 35-Jährigen fulminant. Weil Sommer in zehn der ersten 15 Spiele ohne Gegentreffer blieb, stellte er in Italien einen Rekord auf. Inzwischen sind es zwölf „weiße Westen“ bei 20 Liga-Einsätzen, insgesamt musste Sommer in der Seria A, in der Tabellenführer Inter die mit Abstand beste Defensive stellt, erst zehn Mal hinter sich greifen. Wettbewerbsübergreifend hat der Ex-Bayer 15 Mal zu null gespielt, so oft wie kein anderer Torhüter in den europäischen Topligen. Werte, die die Frage aufwerfen, warum der Mann, der es beim FC Bayern eigentlich mit Manuel Neuer aufnehmen wollte, woanders funktioniert – und sich in seinem halben Jahr in München oft unter Wert verkaufte. So wie übrigens auch Daley Blind, der zweite Winterneuzugang aus dem Vorjahr, der aktuell mit dem FC Girona an der Tabellenspitze in Spanien steht. Als Stammspieler. Vor Real Madrid.
Blinds Geschichte ist noch ein wenig kurioser als Sommers. Denn der 33-Jährige, der als Ersatz für den verletzten Lucas Hernandez Anfang Januar 2023 als vertragsloser Spieler unterschrieb, war in seinen fünf Monaten in München nicht mehr als ein Schattenmann. Stets lächelnd lief er in dieser wilden Saison, an deren Ende auch er sich Last-Minute-Meister nennen durfte, aus der Allianz Arena, zum Spiel gefragt wurde er nie. Auf exakt 131 Minuten Einsatzzeit kam er unter Julian Nagelsmann, Thomas Tuchel ließ ihn insgesamt sechs Minuten ran. Nach 20 Spielen in Girona steht er nun bei 1773 Minuten – und das ist nur eine Zwischenbilanz. Denn in der Elf von Miguel Ángel Sánchez Múñoz ist er absolute Stammkraft. Blind spielt immer! Verwunderlich wäre es nicht, wenn er am Ende der Saison wieder Meister wäre. Allerdings als Leistungsträger, nicht als Bankdrücker.
In München wurde das Beispiel Blind in der laufenden Transferperiode hinter vorgehaltener Hand schon in den Mund genommen. Denn auch wenn Eric Dier von Tuchel und auch von Sportdirektor Christoph Freund als richtiger Mann für die löchrige Abwehr gesehen wird, muss der 30-Jährige beweisen, dass er bei Tottenham zuletzt zu Unrecht auf der Bank saß. Dass es im Winter nicht leicht ist, an einem neuen Standort – und insbesondere in München – Fuß zu fassen, zeigen die Fälle Sommer und Blind aktuell auf, es lehrt aber auch die Vergangenheit. Andere Beispiele sind Serdar Tasci (2015/16 von Spartak Moskau) oder Alvaro Odriozola (2019/20 von Real Madrid). Dier – und Wunschspieler Nordi Mukiele, dessen Transfer Freund von PSG gerade eintütet – wollen es anders machen. Besser. H. RAIF