Dreßen: Servus auf der Streif

von Redaktion

SKI ALPIN Der beste deutsche Abfahrer hört auf

Kitzbühel – Thomas Dreßen schluckte schwer, als er an der Stätte seines größten Triumphes das vorzeitige Ende seiner Karriere bekannt gab. „Es fällt mir schwer, dass ich Servus sagen muss, aber ich bin mit mir im Reinen“, sagte der beste deutsche Abfahrer der Weltcup-Geschichte in einem Hotel. Von demselbem Ort war er am frühen Morgen des 20. Januar 2018 aus aufgebrochen, um wenige Stunden später als sensationeller Sieger auf der Streif in Kitzbühel zurückzukehren.

Ein Rennen dort noch, dann ist Schluss: Am Samstag wird Dreßen, inzwischen 30, bei der klassischen Hahnenkamm-Abfahrt seinen Abschied geben – vor 40 000 Zuschauern und auf den Tag genau sechs Jahre nach seinem großen Triumph. Nach dann 80 Starts, fünf Siegen und zahlreichen Top-Platzierungen schließt sich so ein Kreis – allerdings früher als erwartet, und anders als erhofft: Dreßen hatte am vergangenen Wochenende in Wengen einsehen müssen, dass sein rechtes Knie den Belastungen nicht nicht mehr standhält.

„Natürlich gibt es auch ein Leben danach, und ich will mit meinen Kindern Sport treiben und sie aktiv erziehen“, sagte Dreßen. Auf seinen Abschied freut er sich: „Was gibt es Würdevolleres als die Karriere in Kitzbühel zu beenden? Das will ich noch einmal genießen.“ Dass es zu Ende geht, das hatte Dreßen am Sonntag entschieden. Nach der Rückkehr aus Wengen, wo er während der Fahrt wegen der Knieprobleme beinahe abgeschwungen hätte, verspürte es das „Bedürfnis, dass ich mir noch einmal die Fahrt von Kitzbühel 2018 anschaue“. Dabei sei ihm klar geworden: „So, wie du da gefahren bist, das geht nicht mehr, das funktioniert nicht mehr.“ Sein Ziel sei immer gewesen, ganz vorne mitzufahren. „Fürs Nachgurken werde ich mein Gestell nicht opfern.“

Nach einer letzten Konsultation am Montag mit Mannschaftsarzt Manuel Köhne stand der Entschluss dann endgültig fest, ein Entschluss, der den Deutschen Skiverband (DSV) in ohnehin schwierigen Zeiten hart trifft. „Da hast du schon einen, der nach dem Sternenhimmel greifen kann, und dann so etwas. Es ist bitter, vor allem, weil er noch so jung ist. Es ist wie ein Fluch“, sagte Alpinchef Wolfgang Maier und ergänzte: „Dabei bräuchten wir einen Leader wie den Tom.“ Cheftrainer Christian Schwaiger musste mit den Tränen kämpfen, als Dreßen seinen Rücktritt verkündete.

Dreßen war ein großes Versprechen, seit er vor sechs Jahren auf der Streif gewann, doch schon ein paar Monate später geriet die Karriere erstmals aus der Bahn: Am 30. November 2018 stürzte Dreßen schwer in Beaver Creek – Kreuzbandriss, Totelschaden im rechten Knie, die Hüfte geschädigt. Auf den Tag genau ein Jahr später die wundersame Auferstehung: Dritter Weltcup-Sieg beim Comeback in Lake Louise, bis Saisonende 2020 zwei weitere.

Doch der Sturz von Beaver Creek blieb gegenwärtig bis heute, genau genommen seine Folgen. Zwischen März 2020 und November, also zweieinhalb Jahre lang, bestritt Dreßen mit Ausnahme der WM-Abfahrt 2021 (18.) kein Rennen. Erst bedurfte die Hüfte eines operativen Eingriffs, dann wiederholt das Knie. Schon als Dreßen vergangenen Winter regelmäßig starten wollte, spielte der Körper oft nicht mit. Gut fuhr er nur bei der WM: Rang zehn in der Abfahrt, nur 0,26 Sekunden weg von Bronze.

Diesen Winter begann Dreßen mit großem Optimismus. Die Geburt seiner Tochter im Juni habe ihm „einen Schub“, gegeben, berichtete der Olympiafünfte von 2018 stolz, und ja, betonte er mehrfach, „ich freue mich auf die Saison“. Doch nun hat ihn die Realität eingeholt. sid

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