München – Der Sonntagabend wurde zur Chefsache. Denn nachdem die ratlosen Spieler die Allianz Arena verlassen hatten, trat Jan-Christian Dreesen vor die Mikrofone – und versuchte all das, was da in den 90 Minuten zuvor auf dem Platz passiert war, zumindest öffentlich ein wenig kleiner zu machen als der Rest. „Wir haben es nicht mehr in der eigenen Hand“, sagte der CEO mit Blick auf die sieben Punkte Rückstand, die der FC Bayern nach dem blamablen 0:1 (0:0) gegen Werder Bremen auf Tabellenführer Bayer Leverkusen hat. Aber er fügte schnell an: „Es ist noch nichts verloren. Wenn wir uns zusammenreißen, werden wir noch viele gute Spiele sehen.“
Woher der Boss den Optimismus nahm, blieb die Frage. Denn auf dem Rasen hatte er wie 75 000 andere eine „ungenügende“ Leistung gesehen. Das Wort, das der Schulnote sechs entspricht, hatte Thomas Tuchel nach Abpfiff selbst bemüht – und ausgeführt, was jedem klar war: „Das ist nicht unser Anspruch.“ Schon in den ersten 45 Minuten hatten den Bayern, die so optimistisch aus dem Kurz-Trainingslager an der Algarve heimgekehrt waren, das „Feuer“ gefehlt, wie Thomas Müller treffend feststellte. Joshua Kimmich bemängelte: „Das Spiel war zu statisch“, Manuel Neuer sagte: „Das Aufwachen war zu spät.“ Denn weil sich die Bayern erst nach einem Dreifachwechsel aufbäumten – und die Statistik in den letzten 30 Minuten von 6:8 auf 21:8 Torschüsse hinaufschraubten –, reichte den mutigen Bremern der Treffer von Mitchell Weiser (59.) zum ersten Auswärtssieg der Saison. Für den Meister war es die erste Niederlage gegen Werder seit mehr als 15 Jahren, zuletzt war man 2020 in einem Heimspiel ohne Treffer geblieben. All das aber interessierte weniger als die Frage nach dem Warum. Denn tatsächlich wirkten alle Beteiligten absolut konsterniert.
„Wir wissen, dass wir anders auftreten müssen“, sagte Neuer – dass der Transfer der Trainingsleistungen auf den Platz aber nicht gelingt, ist ein seit Wochen bekanntes Problem. Müller bestätigte: „Das sah anders aus, als wir trainiert haben“, Tuchel wollte angefressen „gar nicht mehr darüber reden“. Die Spieler sollen die Antwort geben, am besten schon beim Nachholspiel am kommenden Mittwoch gegen Union Berlin. Neuer sagte: „Wir wissen, dass wir anders auftreten müssen.“ Vorsichtshalber aber schob er noch hinterher: „Wir müssen den Ernst der Lage erkennen. Wir sind jetzt gerade der Jäger – das muss in die Köpfe.“
Das Wort „gewarnt“ kam an diesem ungemütlichen Sonntagabend des Öfteren aus den Mündern der Bayern, Kimmich wurde konkreter: „Wir dürfen uns keinen Patzer mehr erlauben.“ Müller, der von der Bank kam, appellierte an die „Ausstrahlung. Wir müssen jedes Spiel gewinnen.“ Dass das auch gegen Bremen der Plan gewesen war, hatte man den Bayern erst in den letzten 20 Minuten angesehen. Tuchel sagte hinterher, schon in der Halbzeit mit der Systemumstellung auf Dreierkette kokettiert zu haben: „Aber ich wollte den Spielern die Chance geben, es besser zu machen.“ Am Ende tickte die Uhr, während vor allem die eingewechselten Mathys Tel (87./88./90.+5), Leon Goretzka (90.) und Eric Maxim Choupo-Moting (90.) beste Chancen ausließen.
Neuer richtete den Blick aus gutem Grund lieber nach vorne als zurück: „Wir müssen eine Reaktion zeigen, hoffentlich so schnell wie möglich.“ 75 Stunden nach Abpfiff ist wieder Anpfiff. Und bis dahin Redebedarf.