Zum narrisch werden

von Redaktion

DHB schrammt gegen Österreich an Blamage vorbei – Halbfinale noch möglich

Köln – Konrad Wilczynski hielt es nicht mehr aus. „Noch sechs Minuten, zwei Tore vor, vor 20 000“, rief der ehemalige österreichische Handball-Nationalspieler und frühere Bundesliga-Spieler erregt ins Mikrofon des ORF, dann ergänzte der „Konny“ etwas voreilig den Satz, der seit dem „Wunder von Cordoba“ 1978 Hinweis auf eine nahende sportliche Sensation ist: „I werd’ narrisch.“

Als wenig später Schluss war im Duell mit dem schier übermächtigen Nachbarn Deutschland, da wussten sie im Land der Skifahrer nicht so genau, was sie mit dem Resultat anfangen sollten. 22:22, schön und gut, aber zwölf Minuten vor dem Ende hatten sie ja noch 21:16 vorne gelegen.

Im Deutschland war die Stimmungslage hingegen eindeutig. „Es war ein verrücktes und wildes Spiel, in dem wir nur Stückwerk verrichtet haben. Es waren unfassbar viele Fehlwürfe“, übte Rechtsaußen Timo Kastening Selbstkritik und stellte salopp fest: „Manchmal hast du die Kacke an der Hand.“ Kai Häfner sah es ähnlich: „Die zweite Halbzeit war eine komplette Katastrophe. Wir haben heute alle Scheiße gemacht“.

Und dennoch: Trotz aller Kritik lebt der Traum vom Halbfinale. Mit zwei Siegen gegen Ungarn (4:2 Punkte) am Montag (20.30 Uhr/ZDF und Dyn) und Kroatien (1:5) am Mittwoch (20.30 Uhr/ARD und Dyn), aber auch nur dann, dürfte es noch für die Medaillenspiele reichen.

„Wir haben immer noch sehr große Hoffnung“, versuchte DHB-Sportvorstand Axel Kromer am Sonntag als einziger angebotener Gesprächspartner Optimismus zu verbreiten. „Wir müssen beide Spiele gewinnen, dafür müssen wir aber auf ein höheres Niveau kommen“, so Kromer. Es sei nicht „unerwartbar“, dass Österreich noch Punkte liegen lässt.

Langweilig, so viel steht fest, wird es mit der deutschen Mannschaft nicht. Das Halbfinale ist weiterhin in Reichweite. Doch Alfred Gislason winkte ab, auf höhere Mathematik hatte der Bundestrainer keine Lust. „Wer ins Halbfinale kommt, der wird das verdient haben. Und wenn wir das nicht verdient haben, werden wir nicht da sein. Wenn wir weiter so im Angriff spielen und so mit unseren Chancen umgehen, dann werden wir nicht gewinnen gegen Ungarn und auch nicht gegen Kroatien.“

Die über weite Strecken „grausame“ Offensivleistung (Gislason) mit 23 Fehlwürfen und elf technischen Fehlern ließ die 19 750 Fans in Köln verzweifeln. Erst ein Kraftakt in der Schlussviertelstunde und ein erneut famoser Andreas Wolff im Tor sicherten den womöglich noch wertvollen Punkt. 16:21 lag die DHB-Auswahl zwölf Minuten vor dem Ende zurück, ehe sie Tor um Tor aufholte und in einer nervenaufreibenden Schlussphase 52 Sekunden vor dem Ende durch Christoph Steinert ausglich.

Johannes Golla trommelte seine Mitspieler noch auf dem Feld zusammen. Der Kapitän und seine Mitspieler schworen sich Arm in Arm ein. „Man hat in den Gesichtern gesehen, dass die Enttäuschung sehr, sehr groß ist“, berichtete Golla. Das DHB-Team sei sich aber einig: „Wir haben noch zwei Spiele. Die wollen wir natürlich gewinnen. Dann sehen wir, was am Ende rauskommt.“

Auch Österreich müsste mitspielen. Die „Sensation, die sogar schmerzen darf“ (Kurier) verfolgten im ORF 700 000 Zuschauer im Schnitt (22 Prozent Marktanteil). Zum Vergleich: Die Abfahrt am Samstag auf der Streif in Kitzbühel sahen im Schnitt 1,23 der 8,95 Millionen Österreicher (79 Prozent Marktanteil). „Meine Damen und Herren“, sagte Kreisspieler Tobias Wagner lässig zu den Zuschauern, „danke fürs Einschalten, wir sehen uns Montag“. Dann geht es gegen Frankreich.  mm, sid, dpa

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