München – Wie man Weltmeister wird, weiß Felix Loch. Sechs Mal ist es dem 34-Jährigen schon gelungen, selten aber waren die Vorzeichen so durwachsen wie heuer. Wenn am Wochenende in Altenberg um Edelmetall gefahren wird, startet der einstige Dominator als Außenseiter. Noch kein einziges Mal stand Loch dieses Jahr auf dem Podium, während Teamkollege Max Langehan als Gesamtweltcup-Führender antritt. Loch aber nimmt die Rolle als Underdog gerne an, wie der Berchtesgadener im Interview erzählt.
Herr Loch, Ihr 2024 sollte eigentlich anders starten, als 2023 aufgehört hat. Warum ist der Plan nicht aufgegangen?
Die ersten Weltcups der Saison waren schwierig für mich. Ich habe ziemlich viele neue Sachen probiert, bin sie im Weltcup gefahren – was leider nicht gut funktioniert hat. Manchmal lässt man im Sport kein Fettnäpfchen aus, gerade in Amerika war jeder Lauf ein Kampf, weil ich mich nicht auf den Schlitten verlassen konnte. Inzwischen bin ich wieder auf dem Material aus dem letzten Jahr, was ja auch bei der Deutscher Meisterschaft in Altenberg gut funktioniert hat. Da habe ich gesehen, dass ich mit dem Max (Langenhan/Weltcup-Führender, d. Red.) mitfahren kann. Dass es in Innsbruck jetzt nicht lief, lässt mich nicht den Kopf in den Sand strecken. Die WM findet auf einer deutschen Bahn statt – da haben wir einen Vorteil.
Was sagen Körper und Geist?
Natürlich ist es schöner, mit guten Weltcup-Ergebnissen im Rücken in eine WM zu gehen. Aber ich fühle mich frisch. Körperlich und gesundheitlich passt es sehr, sehr gut. Meine Startzeiten sind so gut wie selten zuvor – da sieht man noch nicht, dass ich älter bin als viele andere (lacht).
Man sagt ja auch: Wenn die Generalprobe misslingt, dann…
… das würden wir uns wünschen. Es ist mein Ziel, um Medaillen mitzufahren. Altenberg ist eine lange Bahn, auf der viel passieren kann. Sie hat ihre Tücken, aber ich habe schon das eine oder andere Rennen hier erlebt. Leider ist das Wetter nicht auf unserer Seite, von minus fünf bis plus sechs Grad ist in der WM-Vorbereitung alles dabei. Da ist viel Feingefühl gefordert auf dem Material-Sektor. Wir müssen reagieren, da sehe ich unser sehr gut aufgestellt.
Würden Sie die Saison als so schwer bezeichnen, dass Sie Ihre Gedanken in Richtung 2026 beeinflusst?
Nein. 2026 steht, das ist fest eingeplant. Und ich würde die Saison auch nicht als schwer bezeichnen, sondern als interessant und lehrreich. Weil wir denken, so langsam zu verstehen, was die Probleme sind. Oft ist es ja eine Kombination aus vielen Sachen, die am Ende nicht zusammenpassen. Wir drehen an verschiedenen Schaltern, Stück für Stück. Für mich ist es nicht die erste Saison dieser Art, ich bin schon das eine oder andere Mal ein bisschen hinterhergefahren, weil ich nicht perfekt aufgestellt war. Für die darauffolgenden Jahre war das immer wichtig. Die guten Sachen habe ich weiter verbessert, die schlechten abgestellt.
Wie steht’s um den Spaß aktuell?
Der Blick auf die Anzeigentafel ist schon oft enttäuschend. Dabei sein ist alles – das ist nichts für mich! Mich wurmt es, wenn ich nicht auf dem Stockerl stehe. Aber wenn man in einzelnen guten Läufen sieht, dass es noch richtig gut funktionieren kann, dann alles andere sofort wieder vergessen. Es kann im Sport nicht immer nur bergauf gehen. Manchmal muss es ein paar Schritte zurückgehen – bevor es wieder nach vorne gehen kann.
Jahrelang sind Sie als Favorit in eine WM gestartet. Wie gefällt Ihnen die Rolle als Underdog?
Die macht mir gar nichts. Ich sehe das alles über die Jahre deutlich entspannter als früher, was alles einfacher macht. Es ist schön, wenn man mal nicht der Topfavorit ist.
Ist es ein Vorteil, dass nun alle von Max Langenhan und nicht von Ihnen reden? Nach dem Motto: Er kann nur verlieren – und Sie nur gewinnen.
Das sehe ich anders. Auch Max kann nichts verlieren. Und ich bin lang genug dabei, um zu wissen, dass es einfach wichtig ist, dass wir Medaillen machen. Jeder von uns hätte gerne eine, aber wer sie am Ende holt, ist – auch wenn es blöd klingt – vollkommen egal. Wir brauchen als Team Edelmetall, um unsere Förderung zu erhalten.
Da denken Sie auch schon an Ihre Zukunft in anderer Position, oder?
(lacht) Sagen wir mal so: Ich weiß inzwischen, wohin es nach meinem Karriereende für mich gehen soll. Und würde mich daher freuen, wenn wir weiterhin unseren Sport so ausüben können wie bisher. Auch wenn ich dann auf der anderen Seite der Bahn stehe. Noch bleiben mindestens zwei aktive Jahre, bis zu den Olympischen Spielen 2026.
Und es gäbe da noch das Ziel, mit dem siebten WM-Titel alleiniger Rekord-Weltmeister zu werden.
Wenn’s passiert, passiert’s. Und wenn nicht, dann nicht. Da mache ich mir gar keinen Stress. Ein paar Chancen habe ich ja noch (lacht).
Aber Sie jagen jetzt Langenhan, der dominiert.
Dass er schnell ist, wusste ich schon lange. Aber er hat aktuell die erste Saison, in der er komplett durchstarten kann. Ich freue mich, dass wir endlich wieder jemanden haben, der konstant vorne reinfahren kann – so wie ich das über viele Jahre gemacht habe. Wir verstehen uns super, es gibt nicht den Hauch einer Tendenz in Richtung Neid. Was aber nichts daran ändert, dass ich auch mal wieder schneller sein will als er.
Musste Ihr gutes Verhältnis zu Langenhan wachsen?
Max kam als junger Wilder mit rein, zwischen uns hat es von Anfang an gepasst. Es läuft sehr gut bei uns – und da bin ich auch sehr, sehr froh drum. Wir sind oft zusammen auf dem Zimmer. Wir verstehen uns gut, obwohl wir zehn Jahre Altersunterschied haben.
Wie gut wäre er ohne Sie?
Ich glaube schon, dass ich den Jungen ein bisschen was weitergeben kann, vor allem, wenn sie Fragen haben. Ich bin niemand, der ihnen hinterherläuft und schlau daherredet, sondern helfe, wenn ich gebraucht werde. Manche versuchen, sich mehr reinzudenken, wie der Max. Da kann man schon Einiges weitergeben, wenn das Verständnis dafür da ist, wie, was, wo auf der Bahn und am Schlitten passiert. Ich kann aber genauso auch von ihm noch etwas lernen, wenn wir zum Beispiel Fahrspuren auswerten. Mir tut der frische Wind da auch gut.
Was können Sie sich noch von ihm abschauen?
Die Lockerheit. Früher war ich ähnlich unterwegs, aber im Alter macht man sich vielleicht das eine oder andere Mal zu viele Gedanken in Richtung: Wie könnte ich irgendwas noch besser machen? Es macht mir halt auch besonders viel Spaß, einen Schlitten zu optimieren. Dabei ist es manchmal das Beste, sich einfach auf eine Fahrt einzulassen und es geschehen zu lassen.
Sind die Jungen auch Tüftler – oder merkt man da, dass Sie älter sind?
Man merkt schon einen Unterschied. Ich möchte sie nicht als blauäugig bezeichnen, aber sie machen sich halt noch nicht die genauen Gedanken darüber, was warum wie funktioniert. Dieses Verständnis zu erlangen, braucht aber auch Jahre. Früher habe ich mich draufgelegt, wenn der Trainer den Schlitten hingestellt hat. Heute habe ich ein fundiertes Wissen aus Erfahrung – trotzdem sage ich: Ganz verstehen wird man das alles nie.
Wo zeigt sich im Alltag, dass Sie der „Rodel-Papa“ sind?
Daran, dass ich halt einfach ein Frühaufsteher bin – und die Jungs im Bett liegen bleiben können bis mittags. Da habe ich schon zwei neue Schlitten gebaut (lacht).
Sind Sie also ein unbeliebter Zimmerpartner?
Dem Max ist es vollkommen egal. Der dreht sich einfach um – und schläft weiter.
Interview: Hanna Raif