„Du hast die Wahl zwischen Sport und Drogen“

von Redaktion

Sylvain Francisco kam von ganz unten – heute ist er Bayerns Hoffnung gegen Lyon Villeurbanne

München – Neulich in Istanbul hat Sylvain Francisco die Einsamkeit des Profisportlers kennengelernt. Im Euroleague-Spiel bei Fenerbahce Istanbul war die reguläre Spielzeit bereits abgelaufen. Doch der französische Spielmacher der Basketballer des FC Bayern durfte noch an die Freiwurflinie. Drei Strafwürfe, die für die Münchner über Niederlage oder Verlängerung entscheiden mussten. Und so sehr die Arena auch buhte, der junge Franzose behielt die Nerven. „Ich mag es, die Menge zum Schweigen zu bringen“, sagte er.

Und dass das bei dem 26-Jährigen so ist, ist einer der Gründe, warum die Bayern auch in Europa höhere Ziele noch längst nicht abgehakt haben. Man hofft auf den großen Endspurt mit vielen Siegen. Da könnte es sich gut treffen, dass an diesem Donnerstag (20.30 Uhr) Schlusslicht ASVEL Villeurbanne im BMW Park zu Gast ist. Gegen die Franzosen hatten sich die Bayern in der Vorrunde mit einem heiß erkämpften Sieg schon einmal in Schwung gebracht. Und so soll es nun tunlichst wieder kommen. „Es wäre extrem wichtig“, sagt Trainer Pablo Laso.

Francisco sagt es nicht selbst, aber natürlich würde gerade ihm ein Erfolgserlebnis noch in bisschen süßer schmecken. Das hat bei ihm auch mit seiner Vergangenheit zu tun. Denn: zumindest hatten französische Clubs nicht wirklich an ihn geglaubt, als er als Jugendlicher sein Heil im Basketball suchen wollte, um dem Leben in Sevran zu entgehen. Jener Stadt vor den Toren von Paris. Ein Umfeld, das zu den schwierigsten in ganz Frankreich gehört. In dem man umgeben ist von Gewaltexzessen und Drogenhandel. „Dort hast du die Wahl zwischen der Schule und vielleicht Sport oder Drogen“, sagte er.

Auf Drängen seiner Brüder wurde es für ihn der Sport, verbunden mit dem unbedingten Willen, „meine Familie da rauszuholen“. Es hat funktioniert, kürzlich sagte er sogar: „Der Sport hat mein Leben gerettet.“

Wobei der Weg ein steiniger war. Weil man in Frankreich nicht an den filigranen 1,85-Meter-Mann glaubte, hat er sein Heil in Übersee gesucht – im amerikanischen College-System. Dass das so war, kann man hören. Francisco spricht Englisch im breitesten amerikanischen Slang. Aber man kann es auch sehen. Der Sohn angolanischer Kriegsflüchtlinge ist sportlich ein Produkt zweier grundverschiedener Basketballstile.

Aber vielleicht macht auch das den Wirbelwind zu einer der großen Entdeckungen dieses Euroleague-Jahres. Zumindest gehört Francisco zu den prägenden Spielern in der europäischen Königsklasse. Wobei er sich im Eiltempo in dem für ihn bis dato ungewohnten Umfeld akklimatisierte. Suchte er zu Saisonbeginn oft noch den Weg mit dem Kopf durch die Wand, so hat er nun die Balance zwischen Passgeber und Vollstrecker. Selbst sein Trainer ist ein bisschen überrascht. „Er hat sich in den letzten Monaten sehr entwickelt“, sagte Pablo Laso, „er macht die anderen besser.“

Das könnte zum guten Argument werden wenn demnächst auch im Basketball die Erntezeit der Saison beginnt. Ein Sieg gegen ASVEL Villeurbanne wäre da schon einmal ein Anfang. PATRICK REICHELT

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