Melbourne – Jannik Sinner gab dem mächtigen Norman Brookes Challenge Cup ein zärtliches Küsschen, die Augen des neuen italienischen Tennis-Helden funkelten mit der glitzernden Trophäe um die Wette. Nach einer furiosen Aufholjagd im Finale gegen den Russen Daniil Medwedew ist der Südtiroler am Ziel seiner Träume angekommen und hat in Melbourne erstmals einen Grand-Slam-Titel gewonnen.
„Da, wo meine Eltern gerade sind, ist es Minus 20 Grad am Morgen. Es ist besser, hier in der Sonne zu rennen“, sagte der 22 Jahre alte Shootingstar mit den rot-blonden Haaren. Sein mitreißendes Comeback nach 0:2-Satzrückstand versetzte ganz Italien in Ekstase. Von seiner schneebedeckten Heimat in den Dolomiten bis nach Sizilien feierten die Fans das 3:6, 3:6, 6:4, 6:4, 6:3 und damit den ersten Majortitel für das Tennis-verrückte Land seit 48 Jahren.
„Sinner schreibt Geschichte. Welche Schönheit, welch’ Glanz, welches Wunder!“, schrieb die Gazzetta dello Sport nach dem Triumph des neuen italienischen Volkshelden bei den Australian Open. Nach dem Davis-Cup-Sieg im November ist es das nächste große Highlight in Sinners junger Karriere. „Die Unterstützung hier war verrückt, ich habe mich wie zu Hause gefühlt“, sagte Sinner, nachdem er um 23.51 Uhr Ortszeit den Pokal in die Höhe gestemmt hatte.
Medwedew hingegen verlor auch sein drittes Finale in Melbourne, bereits 2021 (gegen Djokovic) und 2022 (gegen Rafael Nadal) war er leer ausgegangen – auch gegen Nadal hatte er eine 2:0-Satzführung verspielt. „Im Finale zu sein ist besser, als vorher zu verlieren. Ich werde versuchen, es beim nächsten Mal besser zu machen“, sagte der Russe, der im Halbfinale Alexander Zverev in einem Fünfsatz-Krimi besiegt hatte.
Bei Deutschlands Nummer eins flog auf dem langen Heimweg neben purer Enttäuschung auch eine gehörige Portion Stolz mit. „Ich habe alles getan, was ich konnte. Ich habe während der ganzen Australien-Reise gutes Tennis gespielt“, sagte Zverev nach seinem bitteren Aus: „Ich habe wegen der körperlichen Verfassung verloren. Deswegen ist es frustrierend.“
Der Hamburger hatte vor dem Duell mit Angstgegner Medwedew eine „fiebrige Erkältung“ entwickelt, die ihm im packenden Duell gegen den Russen die Kraft und die Chance auf sein zweites Grand-Slam-Finale nahm. Doch Zverev will das Positive aus den vier Wochen in Australien mitnehmen, in denen er erst den United Cup mit dem deutschen Team in Sydney gewonnen hatte und dann in Melbourne mit phasenweise mitreißendem Tennis bis ins Halbfinale vorgestoßen war.
„Ich habe in der Vorbereitung und hier in Australien alles getan, was ich konnte. Ich war fokussiert, ich war konzentriert – aber die Dinge sind aus meiner Kontrolle geraten. Es war hoffentlich nicht meine letzte Chance“, sagte Zverev.
Schon am ersten Februar-Wochenende steht das Davis-Cup-Duell in Ungarn an. Trotz Erkältung will der 26-Jährige für das Team von Kapitän Michael Kohlmann auflaufen. „Ich gehe davon aus, dass ich in Ungarn sein werde“, sagte Zverev. sid