Barcelona am Boden

von Redaktion

Xavi schmeißt hin – kommt Flick?

VON FLORIAN HAUPT

Barcelona – Ein paar Tage sind vergangen seit dem Schock, doch das Scherbengericht dauert an: Wie konnte es passieren, dass sich eine Clublegende so hilflos fühlte? Dass Xavi Hernández, der den FC Barcelona kennt und liebt wie wenige andere, an seinem eigenen Verein scheiterte?

Am späten Samstagabend hatte der 44-Jährige angekündigt, im Sommer trotz laufenden Vertrages den „grausamen“ Job als Barça-Trainer aufzugeben und dafür den „furchtbaren Verschleiß“ angeführt, den die permanenten Kritiken bei ihm und in der Mannschaft angerichtet hätten. Der einstige Spielmacher traf seine Entscheidung unilateral und kommunizierte sie nach einer chaotischen 3:5-Heimniederlage gegen Villarreal den Medien, obwohl ihm die parallel tagende Führungsriege des Vereins soeben das Vertrauen erneuert hatte. Es war, so die Sportzeitung As, eine „Hommage an den Surrealismus“, bei der Präsident Joan Laporta versuchte, den Trainer noch umzustimmen. Vergebens. Tags danach erklärte Laporta, er akzeptiere den Wunsch Xavis, noch die Saison zu Ende zu bringen, aber auch nur, „weil er es ist“.

Vor dem Nachholspiel morgen gegen Osasuna liegt Barça elf Punkte hinter der Tabellenspitze, aber nur zwei vor dem fünften Platz, der nicht zur Teilnahme an der nächsten Champions League berechtigen würde. In der laufenden Saison geht es europäisch bald im Achtelfinale gegen den SSC Neapel. Aus dem nationalen Pokal schied man letzte Woche bei Athletic Bilbao aus (2:4), der Supercup ging an Real Madrid verloren (1:4). Zu viele Niederlagen, um noch vom Kredit der Meisterschaft der Vorsaison zu zehren – denn dass Barça hoch verschuldet ist, keinen durchweg hochkarätigen Spitzenkader ins Rennen schicken kann und wegen Umbau seines Camp Nou ausweichhalber im weitläufigen Olympiastadion kicken muss, bedeutet noch lange nicht, dass die Ansprüche gesunken wären.

Nun steht eine Nachfolgeentscheidung von enormer Tragweite an. Und da kommt jemand ins Spiel, um den es zuletzt ruhig geworden war: Hansi Flick. Die Mundo Deportivo zählt den 58-Jährigen zu den „primeros candidatos“, also den ersten Kandidaten beim „Casting post Xavi“.

Das Portal El Nacional geht noch weiter. Flick habe Barca bereits bedeutet, er plane im Falle eines Engagements eine „radikale Veränderung“ des Kaders. Vier Stars müssten gehen, mindestens drei neue kommen, darunter seine früheren Schützlinge Leroy Sane und Joshua Kimmich vom FC Bayern. Letzteren hatte sich schon Xavi gewünscht. Also Flick? Der Mann, der die Bayern einst zu sechs Titeln führte und auf dem Weg dahin auch das große Barca mit 8:2 demütigte? Diesen Trainer hatte Präsident Joan Laporta vor Augen, als er Flick 2021 zu einem Videoanruf bat. Doch der Deutsche sagte ab und gab dem DFB sein Wort, Xavi übernahm Barca.

Inzwischen hat Flicks Ruf gelitten. Das Desaster von Katar hängt ihm nicht nur sportlich nach, auch die Doku zur Wüsten-WM (Stichwort: Graugänse) ließ den einstigen Spielerflüsterer in einem anderen, fahleren Licht erscheinen. Danach scheiterte Flick daran, seiner Elf neues Leben einzuhauchen, sein Aus im September war nach bleiernen Monaten unausweichlich.

Dennoch erscheint er als logische Wahl – auch, weil andere Lösungen ausscheiden. Jürgen Klopp will nicht, die Barca-Ikonen Pep Guardiola (Manchester City) oder Luis Enrique (Paris St. Germain) sind vertraglich ebenso gebunden wie Mikel Arteta (FC Arsenal), Michel (FC Girona) oder Imanol Alguacil (Real Sociedad).  mit sid

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