Westerheim – Wie gerne Jan-Christian Dreesen sich im Kreise der Fans bewegt, sah man ihm am Sonntag an. Mehr als drei Stunden Zeit nahm sich der Vorstandsvorsitzende des FC Bayern für seinen Besuch bei den „Red Stars“ in Westerheim – verabschiedet wurde er mit Standing Ovations. Warum ihm das so viel bedeutet – und wie er über den Meisterkampf, Thomas Tuchel, Leroy Sané und Max Eberl denkt –, verrät der 56-Jährige im Interview.
Herr Dreesen, letzte Woche gab es einen erkämpften Sieg, einen Transfer – und die Fanclub-Besuche obendrauf. War das ein perfektes Bayern-Wochenende für den CEO?
Ja, das kann man so sagen. Mit der einzigen Ausnahme, dass es uns hart getroffen hat in Augsburg, dass Kingsley Coman sich so schwer verletzt hat. Als ich ihn in der Kabine in den Arm genommen habe, habe ich sofort gemerkt: Das hat ihm wehgetan – im doppelten Sinne, denn er hat sofort gespürt, dass er für die nächsten Wochen ausfällt. Ansonsten war es das perfekte Bayern-Wochenende.
Sie waren mehr als drei Stunden in Westerheim, haben den Auftritt sichtlich genossen.
Genauso ist es. Diese Besuche sind Teil unser DNA. Es ist ein Jammer, dass diese Tradition seit 2019 wegen der Corona-Pandemie und der Winter-WM quasi brach lag, deshalb war ich am Sonntag umso glücklicher, dass wir endlich wieder aufbrechen konnten. In den Gesprächen habe ich gespürt: Wir sind eine Einheit, wir gehören zusammen. Wir unterscheiden uns so auch von anderen großen Clubs, für mich ist das das gelebte „Mia san Mia“. Nirgendwo bekommt man so direkt die Wahrheit gesagt wie im persönlichen Gespräch. Ich wünsche mir nicht nur, dass diese Fanclub-Besuche noch lange stattfinden – sondern gebe darauf auch mein Versprechen.
Vor den Fans haben Sie gleich den Champions-League-Sieg als Vorgabe genannt. Was stimmt Sie so zuversichtlich?
Das muss ja unser Anspruch sein! Das Besondere am FC Bayern ist doch, dass wir nie müde sind und nie zufrieden. Deswegen ist immer der Champions-League-Sieg das Ziel. Aber ich halte es wie Karl-Heinz Rummenigge und sage: Der ehrlichste Titel ist die Meisterschaft.
… die man nun wieder in der eigenen Hand hat.
Wir sind wieder in Schlagdistanz zu Leverkusen, wir können – selbst wenn Leverkusen jedes Spiel gewinnt bis auf das gegen uns – oben stehen. Dann haben wir beide eine fantastische Saison gespielt – aber Bayern ist Meister. Das gibt uns schon Rückenwind.
War das Spiel in Augsburg auch für die Köpfe ein Wendepunkt?
Es war ein schwieriges Spiel, wir haben vorher in Augsburg zwei Mal verloren. Die spielen sehr körperlichen Fußball und die Rasenverhältnisse sind höflich gesagt nicht gerade ideal, wenn wir dort sind. Aber wir haben gekämpft! Wir sind die Wege gegangen, die man nicht sieht, die aber nötig sind. Thomas Tuchel hat es als „Drecksarbeit“ bezeichnet, das würde ich zu 100 Prozent unterschreiben. Nur wenn alle sich füreinander einsetzen und zerreißen, funktioniert es auch. Wir haben mit einer Viererkette agiert, die so noch nie zusammen trainiert, geschweige denn gespielt hat. Dass in so einer Situation nicht alles funktioniert und wir nicht den schönsten Fußball spielen, ist klar. Aber wir haben gewonnen, das zählt und gibt Selbstvertrauen für alles, was in den kommenden Wochen, die ich bewusst als sehr, sehr wichtig bezeichne, ansteht.
Es wird im dezimierten Kader auf die Unterschiedsspieler ankommen – wie etwa Leroy Sané, der ausgeplaudert hat, man sei bei den Verhandlungen über eine Verlängerung seines 2025 auslaufenden Vertrages schon sehr weit.
Da hat er ja schon alles gesagt (lacht)! Ich bin vom Grunde her immer ein Optimist, so also auch hier. Leroy ist ein wichtiger Teil der Mannschaft und fühlt sich wohl in München. Und wir fühlen uns wohl mit ihm. Er hat viele hervorragende Spiele in der Saison gemacht. Wir hoffen, dass es so weitergeht – und dass es mit ihm weitergeht (schmunzelt).
Von Thomas Tuchel hörte man vor den Fans Sätze wie: „Das Ausland reizt mich.“ und „die spanische Liga ist attraktiv.“ Kann das einem Chef gefallen?
Ach, man sollte da nicht so aufgeregt mit umgehen. Der Job eines Trainers ist generell nie an einen Rentenvertrag geknüpft. Es ist okay für mich, wenn Thomas so etwas sagt, zumal er ja nicht von selbst darauf kam, sondern in einer offenen Fan-Fragerunde dementsprechend ,gelöchert’ wurde. Ich wundere mich viel mehr, was daraus teilweise gemacht wurde. Das geht dann doch zu weit. Thomas arbeitet mit großer Leidenschaft und Intensität für uns. Er will mit uns etwas erreichen – und wir wollen mit ihm etwas erreichen.
Ihre Kritik nach der Niederlage gegen Bremen – Stichwort „langweiliger Fußball“ – wurde als Kritik an ihm interpretiert.
Das habe ich nicht so empfunden. Auch die Spieler müssen sich an die eigene Nase fassen, wenn es mal nicht läuft. Dass sie das jetzt tun, hat man in Augsburg gesehen. Ich finde, Thomas macht das sehr gut. Wir haben 47 Punkte, nur ein einziges Mal hatten wir mehr: in der Saison 2015/16 unter Pep Guardiola. Kurioserweise haben wir aktuell genau dasselbe Torverhältnis wie letztes Jahr um diese Zeit, 56:18, aber sieben Punkte mehr. Nur haben wir diesmal mit Leverkusen einen vor uns, der einfach nicht locker lässt. Das ist aber doch gut so! Das fordert uns.
Am Wochenende in Augsburg saß Max Eberl auf der Tribüne. Gab es einen Austausch?
Ich habe ihn nicht gesehen. Und als ich erfuhr, dass er auch dort ist, war es leider schon zu spät für einen Austausch – den es bestimmt gegeben hätte, hätte ich gewusst, dass wir so nah beinander saßen.
So ein Besuch ist aber doch ein klares Zeichen, oder?
Das haben Sie jetzt gesagt! Ich sage: dass er Fußball liebt, ist doch klar. Und dass er in Augsburg mal ein Spiel besucht, ist auch normal. Genauso normal ist es, dass es gerade besonders betrachtet wird (lacht).
Er hat immerhin ein unterhaltsames Spiel gesehen.
Er hat vor allem eins gesehen: einen Bayern-Sieg. Das ist doch prima!
In der kommenden Transferperiode wird er dann mitmischen, oder?
Ich sage ja seit Wochen wie eine Langspielplatte: Das ist Sache des Aufsichtsrates. Dabei bleibe ich. Aber ganz unabhängig davon möchte ich mal etwas loswerden, was manchmal untergeht: Christoph Freund ist ein echter Gewinn für uns. Er macht seinen Job fantastisch, ist komplett uneitel, ist ein Teamplayer, hat ein enormes Wissen, gerade was jüngere Spieler betrifft. Es ist eine Freude, mit ihm gemeinsam zu arbeiten. Wir werden sehen, welche Konstellation die Zukunft bringt. Aber generell muss man festhalten: Genauso wie die Mannschaft auf dem Platz nur als Team funktioniert, gilt das auch für uns im Management.
Interview: Hanna Raif