1860-Machtkampf eskaliert

Geht’s noch, Löwen?

von Redaktion

ULI KELLNER

Fünf Punkte aus drei Spielen, sechs erzielte Tore. Sportlich sind die Löwen 2024 überraschend schnell auf Betriebstemperatur gekommen. Der Neuanfang unter Trainer Argirios Giannikis scheint geglückt. Zum Leidwesen des Drittligisten ist aber auch die Mannschaft hinter der Mannschaft aus der Winterruhe erwacht. Die Funktionäre präsentieren sich ausgesprochen angriffslustig in diesen Tagen. Das Problem dabei: Was den Löwen auf dem Rasen hilft (Attacke!), wirkt sich vereinsschädigend aus, wenn es von jenen praktiziert wird, die eigentlich die Verantwortung für den TSV 1860 als Profiverein tragen.

Und die Vehemenz, mit der sich Vertreter ein und desselben Clubs bekriegen, ist selbst für 1860-Verhältnisse neu. Der Verwaltungsrat schießt gegen Vize Sitzberger, der Bruder des Investors gegen alles, was nach e.V. riecht, insbesondere gegen den Präsidenten Reisinger. Aus vormaligen Partnern werden „Feinde“, wie auf einer Plakatbotschaft der Ultras zu lesen war. Es wird gehetzt und intrigiert, zunehmend ohne Hemmungen. Jeder Profi, der um den sportlichen Klassenerhalt kämpft, müsste laut aufschreien und fragen: Geht’s noch, Bosse?

Außenstehenden nahezubringen, um was es im Detail geht, ist ein sinnloses Unterfangen. Selbst Insider sind überfordert, jeden Heckenschützen und dessen Motive zu benennen. Im Kern geht es darum, dass eine 13-jährige Zwangsehe am Ende ist. Die aktuellen e.V.-Vertreter wollen nicht länger akzeptieren, dass ihre Vorgänger die Seele des Vereins verkauft haben. Die vermeintlichen Retter, Hasan Ismaik und seine Statthalter, kämpfen um Einfluss, den die in Deutschland gültige 50+1-Regel begrenzt. Mittendrin, zwischen den stählernen Fronten: Vize Hans Sitzberger. Ein treuer Löwe, der irgendwann beschlossen hat, dass ein bisschen Miteinander dem Fortkommen seines Vereins nicht schaden könnte . . .

Nichts verdeutlicht die missliche Lage besser als die Tragik des 1860-Fans Sitzberger (70): Derjenige, dem jeder bescheinigen würde, dass er das Wohl seines Vereins über alles stellt – exakt der soll bei einer außerordentlichen Mitgliederversammlung entfernt werden. Mag sein, dass es belastende Dinge gibt, die das Vorgehen rechtfertigen. Unter dem Strich steht jedoch die Erkenntnis: Wenn für einen anständigen Mann wie Sitzberger kein Platz mehr bei 1860 ist, dann ist es weit gekommen mit den Löwen – und für viele (neutrale) Fans ist es dann auch nicht mehr ihr Verein. Egal in welcher Liga die Giannikis-Elf nächste Saison um Punkte kämpft.

uli.kellner@ovb.net

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