„Ich verliere den Glauben“

von Redaktion

Köln-Legende Prestin sorgt sich um seinen FC – und hat ein Konzept entwickelt, dem taumelnden Club zu helfen

München – Transfersperre, Trainerwechsel, Tabellenplatz 16. Der 1. FC Köln taumelt der 2. Bundesliga entgegen. Die Zukunft des Traditionsvereins steht auf wackeligen Beinen. Eine Negativ-Entwicklung, die auch Club-Legende Dieter Prestin (67) Sorgen bereitet. Seit 35 Jahren ist der ehemalige Verteidiger im Profisport als Versicherungs- und Finanzexperte tätig. Nun will er den 1. FC Köln retten. Wie, verrät er im Interview.

Herr Prestin, Sie bestritten knapp 500 Spiele für den 1. FC Köln, holten die Meisterschaft und dreimal den DFB-Pokal. Heute kämpft der Verein gegen den Abstieg, hat zudem eine Transfersperre. Wie geht es Ihnen damit?

So wie der Club aktuell dasteht, habe ich fast den Glauben an meinen 1. FC Köln verloren. Ich habe Angst, dass der Verein ins Niemandsland abrutscht. Timo Schultz, der neue Trainer, wurde sowohl bei St. Pauli als auch nach ganz kurzer Zeit beim FC Basel entlassen. Er hat eine Herkulesaufgabe übernommen, und ich wünsche ihm viel Glück und Erfolg. Dennoch hätte ich im Abstiegskampf einen Trainer bevorzugt, der schon einmal dieses Prozedere erlebt und gemeistert hat. Mit welcher „Professionalität“ die Club-Chefs zudem mit dem CAS bezüglich der Transfersperre umgegangen sind, ist an Arroganz nicht zu überbieten. In der Chefetage mangelt es an Fußballkompetenz – sowohl im Vorstand, als auch bei den Beratern des Vorstandes. Da fehlt es einfach an der Qualität.

Ein hartes Urteil.

Das sehen auch andere, denen der 1. FC Köln am Herzen liegt, so oder ähnlich. Auch Christoph Daum hat zuletzt die FC-Bosse heftig kritisiert. Wie sollen diese Leute professionell bewerten, ob der Sport-Geschäftsführer, Sportdirektor, Trainer und die Transfers die richtigen sind? Da muss man ansetzen. Die Sportkompetenz muss beim 1. FC Köln wieder deutlich verbessert werden.

Wie soll das gelingen?

In der freien Wirtschaft wäre das Problem relativ schnell gelöst: Hier sind die Schuldigen – und weg damit. Aber so etwas gibt es in Köln nicht. Und mir ist auch klar, dass immer nur schimpfen nicht hilft. Deshalb habe ich in den letzten eineinhalb Jahren ein knapp 40-seitiges Konzept über eine mögliche Zukunft des FC geschrieben. Das werde ich bei einem Termin in zwei Wochen mit dem Vorstand des FC besprechen.

Worum geht es in Ihrem Konzept?

Ich will damit den Finger in die Wunde legen. Es geht darum, den 1. FC Köln auf Dauer nicht nur wieder bundesligatauglich zu machen, sondern um ein bisschen mehr: wieder den Schritt Richtung Europa zu schaffen. Und dafür muss man wie bereits gesagt in den Vorstand, die Geschäftsführung, aber auch in die Nachwuchsabteilung wieder Sportkompetenz reinbringen. Ich habe beispielsweise ein Problem damit, wenn ein Nachwuchsmensch aus der Sporthochschule Köln mit Laptop aufschlägt und erklären will, wohin die Jungen laufen sollen. Kreativität und Individualität der Nachwuchsspieler sind da nicht mehr gefragt. Das Scouting ist eine große Chance des FC. Hier muss endlich mal wieder einiges im Nachwuchs verbessert werden. Auch beim FC Bayern läuft aktuell nicht alles rund. Aber der Verein verkörpert das legendäre „Mia san mia“, dieses Selbstverständnis, aus jedem Tief schnell wieder heraus zu kommen. Die Münchner überwinden eine Krise einfacher, schneller und besser als der 1. FC Köln, denn hier sind Führungspersonen am Ruder, die Ahnung von ihrem Job haben und ihre ganze Kraft und Persönlichkeit – sprich „Herzblut“ – für den FC Bayern einsetzen.

Haben Sie Unterstützer?

Ja. Ich stehe ganz eng mit einigen Spielern aus meiner aktiven Zeit in Kontakt und auch mit einigen, die auch danach für den 1. FC Köln erfolgreich waren. Wir haben konkrete Personen im Kopf, die die dringend notwendige Sportkompetenz für den Club mitbringen würden.

Können Sie sich vorstellen, in aktiver Position bei der Umsetzung Ihres Konzepts mitzuhelfen?

Das ist die große Frage, die ich mir auch gestellt habe. Ich habe 23 Jahre für den 1. FC Köln gekickt. Mein Herz wird immer für den FC schlagen. Beim FC hat sich seitdem vieles verändert. Seit einigen Jahren gibt es einen neuen Slogan des Vereins. Er lautet: „Spürbar anders“. Natürlich ist Köln spürbar anders, aber in vielen Bereichen mittlerweile leider nicht positiv anders. Unsere Vereinshymne von den Höhnern: „Mer stonn zo Dir FC Kölle“ trifft auch auf mich weiterhin zu. Also, schaun mer mal….

Interview: Philipp Kessler

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