München – In den Playoffs können der EHC München und die Straubing Tigers natürlich noch aufeinandertreffen – doch in der Hauptrunde der Deutschen Eishockey ist das Spiel heute (19.30 Uhr) am Oberwiesenfeld das letzte ober-niederbayerische Derby für diese Saison. Und somit auch ein Abschluss für Sandro Schönberger (37). Der Stürmer, gebürtig aus Weiden, ausgebildet beim EC Bad Tölz, spielt seit 2009 für Straubing, 2010 kam München in die DEL. Keiner hat dieses Spiel öfter bestritten. Sandro Schönberger hat kürzlich angekündigt, seinen Herzensclub Straubing zu verlassen und nach Hause zurückzukehren.
Sandro, ein vermutlich letztes Mal spielen Sie in München – mit Wehmut?
Definitiv mit Wehmut, aber ich empfinde auch Vorfreude. Das sind immer packende Derbys voller Emotionen, wir sind den Münchnern immer näher gekommen, heuer sogar einen Ticken besser als sie, und das tut uns gut, denn wir werden als der Kleine gegen den Übermächtigen angesehen. Es werden viele Fans aus Straubing mitkommen.
Sie sprechen die Emotionalität dieser Spiele an. Welche bleiben besonders hängen?
Ich kriege immer noch Gänsehaut, wenn ich an unseren 6:3-Sieg in München im März 2020 denke.
Es war der vorletzte Spieltag der Hauptrunde und das letzte Wochenende vor dem Corona-Abbruch der Saison. Die Olympia-Eishalle war noch einmal brechend voll, die Tigers-Fans in der Kurve feierten halbnackt. . .
Dieser Sieg bedeutete für uns die Teilnahme an der Champions League, es war ganz besonders, vor unserer Kurve zu feiern, dass wir in Europa spielen werden. Leider hat sich das durch Corona dann erledigt. Das andere Spiel war das legendäre Penaltyschießen, völlig verrückt, im Netz sieht man es noch ab und zu.
Oktober 2010, es brauchte beide Seiten zusammengerechnet 42 Versuche, um den Shoot-out zu entscheiden. 37 Penaltys wurden nicht verwandelt.
Ich habe leider auch einen vergeigt. Ich war ein junger Spieler, in meinem zweiten Jahr in Straubing, unser Trainer Jürgen Rumrich hat irgendwann nicht mehr gewusst, wen er schicken soll – und dann hat er auch die Jungen rangelassen. Wir haben alle den Kopf geschüttelt über den Verlauf dieses Penaltyschießens und nur noch gedacht: Egal, welche Mannschaft trifft – es reicht.
2009 kamen Sie nach Straubing – wie hat sich der Club seitdem entwickelt?
Vor fünfzehn Jahren war Straubing noch nicht lange in der DEL, die Struktur hatte etwas DEL2-mäßiges an sich. Der Torwart-Trainer kam einmal die Woche, das lief so halbscharig nebenher. Zum Auswärtsspiel hatten wir die Taschen im Bus dabei, jetzt fahren die Betreuer mit der Ausrüstung extra. Die Organisation der Tigers hat einen gigantischen Schritt gemacht in Sachen Professionalität, wir haben neue Fitnessräume und Kabinen, uns können nicht mehr viele Clubs in der DEL was vormachen. Straubing hatte immer schon das Dreiergespann aus den Clubgesellschaftern, den Sponsoren und Fans, worauf Stadt und Region stolz sein konnten – jetzt sind wir ein Verein, zu dem die Spieler gerne hingehen und auch gut bezahlt werden.
Auch München hat eine Entwicklung genommen. Vom schlichten EHC, der nach zwei Jahren DEL 2012 fast am Ende war, zum Club, in den 2013 durch die Übernahme durch Red Bull das große Geld kam.
Wir waren die Kleinstadt, und als im großen München noch das große Geld floss, war das für unsere Rivalität die Kirsche auf der Sahnetorte. München hatte unter Don Jackson eine große Ära – doch die gewonnenen Spiele haben uns gutgetan, wir sind öfter mit einem Lächeln aus dem Stadion gegangen.
Straubing spielt aber schon gerne die Underdog-Karte.
Mittlerweile nicht mehr. Wir verstecken uns nicht mehr, wir sind total selbstbewusst, auch wenn wir wissen. dass es auch wieder Jahre geben wird, in denen es nicht so läuft wie in diesem.
Parker Tuomie sprach in einem TV-Interview offen von den Titelambitionen, Trainer Tom Pokel schiebt seit 2020 das ,unfinshed business’ vor sich her – kann Straubing Deutscher Meister werden?
Anfang August will jede der 14 Mannschaften Meister werden. Für uns ist die Meisterschaft definitiv zu greifen, denn mit noch zehn Spielen und auf dem dritten Platz kann man an den großen Wurf denken. Klar, keiner darf sich verletzen, wir brauchen unsere Torhüter auf den Punkt – doch wenn alles zusammenfließt, warum nicht?
Wie haben Sie es geschafft, sich so lange zu halten? Sie waren nie die Scoring-Maschine des Teams, aber schon früh sein Kapitän.
Das macht mich stolz, so lange im Verein zu sein. Als ich aus Tölz kam, war Straubing für meine Entwicklung wichtig, ich habe viel Eiszeit und Verantwortung bekommen, bin 2012 jüngster Kapitän der DEL geworden, die Aufgaben sind gewachsen und ich mit ihnen. Jason Dunham (Sportlicher Leiter, d. Red.) hat einen Top-Job gemacht und die richtigen Spieler geholt. Ich könnte nicht glücklicher sein, dass ich Wertschätzung genossen habe, obwohl ich nicht der Scorer war. Aber ich verkörpere wohl, was Straubing sehen will: Leidenschaft, unbändiger Wille, Kampf bis zur letzten Sekunde.
Nationalspieler waren Sie nie.
Ich wäre am Ende der Saison öfter zur Vorbereitung auf die WM eingeladen gewesen, aber meine Spielweise war nicht so körperfreundlich. Ich habe hart gespielt, viele Schüsse geblockt und musste mich nach fast jeder Saison operieren lassen. Ich musste die Priorität setzen: Straubing war der Arbeitgeber, ich wollte zur neuen Saison immer bereit sein. Das hätte ich gefährdet, das wäre Harakiri gewesen. Aber ich bin nicht sauer, dass es so war.
Jetzt haben Sie die Rückkehr nach Hause angekündigt. Was ist Ihre Heimat?
Reichersbeuern, da kommt meine Frau her. Wir haben vor zwei Jahren ein Haus gebaut, künftig möchte ich meinen Kindern beim Eishockey zuschauen, das war bis jetzt nicht oft der Fall. Ich bin nicht abgeneigt, weiter die Schlittschuhe zu schnüren, doch da muss ich erst schauen.
Wir wünschen Ihnen jedenfalls einen Sommer ohne Operation.
Danke. Wird aber leider nicht der Fall sein. Es muss wieder was gemacht werden.
Interview: Günter Klein