„Die Stürze sind mir nahegegangen“

von Redaktion

Josef Ferstl über seinen plötzlichen Rücktritt, Gefahren im Skisport und seine Familie

Garmisch-Partenkirchen – Es war ein Abschied, wie er ihn sich gewünscht hatte. Am Sonntag ist Josef „Pepi“ Ferstl beim Weltcup in Garmisch-Partenkirchen ein letztes Mal als aktiver Skirennfahrer die Piste hinuntergefahren. Die Fans an der Kandahar-Strecke haben den 35-Jährigen noch einmal frenetisch gefeiert. Unserer Zeitung erzählt der Kitzbühel-Super G-Sieger von 2019, wie die Entscheidung gefallen ist, aufzuhören.

Herr Ferstl, eine Woche nach Thomas Dreßen haben auch Sie Ihre Karriere beendet. Haben Sie Dreßens Verabschiedung in Kitzbühel gesehen und sich gedacht: Das will ich auch?

Das schaut jetzt so aus. Aber mit Tom hatte das überhaupt nichts zu tun. Es war ein längerer Prozess. Ich habe mich auf diesen Winter wie auf jede normale Saison vorbereitet. Ich war topfit. In der ersten Abfahrt in Gröden bin ich 15. geworden. Am nächsten Tag 25. Da habe ich mir gedacht: krass! Ich habe für mein Gefühl eine super Fahrt hingelegt, komme aber nicht ganz nach vorne. Dann kamen die Bewerbe in Bormio, Wengen und Kitzbühel. Kitzbühel liebe ich. Da hab ich alles gegeben. Ich habe gemerkt: ich kann mithalten. Aber es reicht nicht mehr für Spitzenplätze.

Und dann ist die Entscheidung zum Rücktritt gefallen?

Ich bin heimgefahren, habe mich hingesetzt, in Ruhe einen Kaffee getrunken und zu meiner Frau gesagt: Ich kann’s nicht mehr. Wir haben uns überlegt, was wir machen sollen. Der Plan war erst, dass ich die Saison zu Ende fahre. Aber meine Frau sagte: Warum willst du dich weiter quälen?

Also haben Sie beschlossen, sich schon in Garmisch-Partenkirchen vom aktiven Rennsport zu verabschieden.

Genau. Ich bin gesund, hab’ im Endeffekt alles, was ich brauche. So kann ich in Würde abtreten und auf eine geile Zeit zurückblicken.

Haben die jüngsten schweren Stürze von Alexis Pinturault und Aleksander Aamodt Kilde in Wengen oder von Barnabas Szollos im Kitzbühel-Training Ihre Entscheidung beeinflusst?

Ich muss sagen, die Stürze in Wengen sind mir nähergegangen als sonst. Das sind enge Freunde, Aleks und Pintu. Dieser Sport ist auch sehr gefährlich, und das ist mir jetzt bewusst geworden.

Wie haben Sie den DSV über ihren Rücktritts-Wunsch informiert?

Ich habe nach einem langen Spaziergang das Handy in die Hand genommen, Christian Schwaiger (DSV-Herren-Cheftrainer, Anmerkung der Redaktion) angerufen, ihm gesagt er soll sich besser setzen und ihm erklärt: Es reicht.

Wie hat Schwaiger reagiert?

Er hatte zu einhundert Prozent Verständnis. Er hat auch in keiner Weise versucht, mich zum Weitermachen zu überreden. Christian Schwaiger ist schon immer eine spezielle Person für mich gewesen, mit ihm hab’ ich alles mitgemacht, von Tiefen bis Siegerhöhen. Wir haben stundenlang geredet.

Wie ging es Ihnen nach diesem Gespräch?

Ich habe nicht gut geschlafen. Es ist ja eine Lebensentscheidung. Man macht sich Gedanken, wie es weitergeht.

Und wie fühlen Sie sich jetzt, nachdem Sie die Entscheidung haben sacken lassen können?

Jetzt ist die Erleichterung gekommen. Am Sonntag bin ich aufgewacht und war froh, dass ich kein Rennen mehr fahren muss. Ich genieße jetzt erst mal auch die Zeit daheim. Meine Kinder haben gleich gesagt: Papa, jetzt können wir mit dir wieder mehr Skifahren und in den Urlaub fahren. Da haben sie recht. Ich hoffe aber auch, dass ich dem Team in irgendeiner Form erhalten bleiben kann.

Wie Sie am Wochenende erklärten, haben Sie schon ein paar Ideen für künftige Aufgaben.

Ich lass’ es auf mich zukommen. Optionen gibt es, die Arbeit als Trainer oder Berater im Jugendbereich. Aber Medien interessieren mich auch. Ich bin topfit. Ich traue mich, jede Abfahrt runterzufahren. Vielleicht kann ich noch geile Bilder liefern fürs Fernsehen. Ich biete jede Hilfe an, man kann von mir alles haben. Ich bin mir für nichts zu schade.

Wie schätzen Sie die Zukunft des DSV-Teams ein?

Es wird ein harter Weg. Jetzt sind Romed Baumann und Andreas Sander die Führungspersonen. Solange sie fit sind, müssen sie die Jungen mitnehmen.

Wird es schwer für die Mannschaft, wenn mit Dreßen und Ihnen die zwei prägendenFiguren der vergangenen Jahre weg sind?

Wir sind als Team gewachsen. Aber natürlich sind Tom und ich in der Vergangenheit vorangegangen. Auch bei Kritik standen immer wir im Fokus. Leider ist Tom 2018 in Beaver Creek schwer gestürzt. Und in den letzten zwei Jahren hatten wir nicht mehr den Tom, den wir gebraucht hätten. Schon da haben Romed, Andi und ich versucht, das mit Ergebnissen aufzufangen. Das haben wir geschafft. Die Jungen haben sich in der Zwischenzeit vorbereiten können. Sie können Skifahren. Sie müssen nur jetzt auch mal abliefern.

Aufgezeichnet von Christian Fellner und Katharina Brumbauer

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