Die Frau, die niemals aufgibt

von Redaktion

BIATHLON Franziska Preuß ist Deutschlands größte Hoffnung im Kampf um die WM-Medaillen

VON THOMAS JENSEN

München – Träumen und wollen. Eigentlich zwei verschiedene Arten des Denkens. Aber bei Franziska Preuß vielleicht nicht. Die größte Hoffnung der deutschen Frauen spricht vor der am Mittwoch mit der Mixed-Staffel in Nove Mesto beginnenden WM vom „Traum einer Medaille“, die jeder habe. Zu unserer Zeitung sagt sie aber auch: „Nicht aufgeben und immer wieder dahin wollen, wo ich schon einmal war, liegt in meinem Naturell.“

Und wo war sie schon? Auf Podesten. Bei Großereignissen. Mit der Staffel – aber auch alleine. Die Biathlon-Welt war damals noch eine andere, als Preuß ihre erste WM lief. Die Bö-Bruder holten zwar schon Medaillen, aber die großen Abräumer mit je zweimal Gold hießen Marie Dorin-Habert und Erik Lesser. Deutschland gewann übrigens beide Staffeln. Und Preuß holte 2015 in Kontiolahti Silber im Massenstart hinter der Ukrainerin Walentyna Semerenko. Ihre jetzige Kollegin Selina Grotian war da zehn Jahre alt.

„Es ist schon gut, wenn man schon einige Großereignisse mitgemacht hat und weiß, wie das abläuft“, sagt Preuß zu ihren Erfahrungen, die nicht nur aus Höhepunkten bestehen: „Manche Situationen hat man schon durchlebt und weiß, dass es besser hätte gehen können.“ Wie finster es im großen Licht des Sports laufen kann, hatte die Sportlerin vom SC Haag schon vor ihrer ersten WM mitbekommen, als sie 2014 bei Olympia in Sotschi debütierte: 41. und 40. in Sprint und Verfolgung, Einzel-Start auf Drängen der Trainer, dann ein Abbruch unter Tränen nach fünf Fehlern. Zudem ein Sturz in der Staffel als Startläuferin.

Frühe Dramen, frühe Erfolge, die die ersten wilden Kapitel einer anschließend konstanten Karriere im Kreis der Besten hätten sein können. In diesem Kreis war sie ja auch stets Gast, aber eben nur, wenn ihr Körper sie ließ. Dass Preuß vor ihrem nun sechsten WM als Gesamtweltcup-Achte mit drei Podestplätzen außerhalb der Staffeln in diesem Winter zu den Medaillenfavoriten zählt, verdankt sie zum einen ihrem Mut, vergangenes Jahr eine große Auszeit zugunsten ihrer Gesundheit einzulegen. Und viel mentaler Arbeit weiter an sich zu glauben, trotz aller Rückschläge. „Man darf nicht unterschätzen, wie viel Energie das kostet. Sich immer gut zureden, die Stärke zu haben, mal etwas zu überspielen, das kostet Kraft“, beschreibt sie. Auch der ein oder andere Tipp eines Mentaltrainers sei eingeflossen, aber „schlussendlich ist es die eigene Arbeit“.

Arbeit, die die Karriere am laufen hielt, als sie nicht mehr als junges Talent galt. 30 Jahre ist Preuß inzwischen. Was immer noch andeutet, welches Biathlon-Talent sie hat und wie selbstverständlich ihr dieser so komplexe Sport fällt: Kaum ein Sportler braucht so wenig Anlaufzeit wie die Oberbayerin. Ist sie fit, ist sie vorne dabei. „Schnell nach einer Auszeit wieder in den Rhythmus zu kommen, da war ich eigentlich immer schon gut“, sagt sie selbst zu dieser Qualität.

Trotz der Pause vor dieser Saison fühlte sie sich so „in jedem Rennen in der Lage, auf das Podest zu laufen“. Für die WM gebe „keine größere Motivation“, fügt sie noch an. Behält sie diese Form nun und in den entscheidenden Momenten die Nerven, kann sie es einmal mehr dorthin schaffen, wo sie bereits war – oder auf dem Podest sogar noch eine Stufe mehr erklimmen. Mit der Staffel war sie da bereits bei einer WM. Alleine noch nicht.

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