Fußball-Protestkultur

Die Letzte Generation in der Kurve

von Redaktion

GÜNTER KLEIN

Der Name ist schon vergeben, schade, denn er würde auch zu einem Zusammenschluss der deutschen Fußball-Ultras passen: Sie sind „Die Letzte Generation“, die einen Ausverkauf ihres Sports durch den Einstieg eines Investors in die Dachgesellschaft DFL noch verhindern kann. Zumindest ist die Taktik ähnlich der, die die Klimaschützer gewählt haben: Abläufe stören, um Aufmerksamkeit zu erzielen und Diskussionen in Gang zu setzen. Das gewählte Mittel ist nicht der Klebstoff, sondern es sind wahlweise Schokotaler oder Tennisbälle, die seit Dezember bei zahlreichen Spielen von der ersten bis zur dritten Liga aufs Feld fliegen.

Sozusagen großes Tennis gab es daher beim Zweitliga-Promi-Match Hertha BSC – Hamburger SV am Samstagabend. Die Filzball-Schmeißerei in Berlin konnte man als unterhaltsame Guerilla-Aktion hinnehmen, die TV-Übertragung wurde durch sie sogar interessanter, die Frage, wie der Schiedsrichter mit dieser Situation umgehen würde, baute einen zusätzlichen Spannungsbogen auf. Jeder hatte Zeit, die Sache auszusitzen, und letztlich kann man sagen, dass die erzwungene Unterbrechung Spiel wie guter Atmosphäre keinen Abbruch tat. Freilich würde man es anders empfinden an einem Samstagnachmittag, wenn dadurch ein Spiel aus dem Programm ausschert. Das Wechselspiel zwischen mehreren Plätzen, das wir doch alle als sehr ursprünglichen Teil des Fußballs und als Garant für seine Dramatik schätzen, würde verloren gehen.

Die Kritik an den Investoren-Plänen der DFL ist legitim, schließlich strahlt der deutsche Profifußball in diesem Punkt keine Einigkeit aus, die Zwei-Drittel-Mehrheit ist kein breites Fundament, manche Clubs stimmten nur mit Bauchgrimmen zu. Die Sprache auf den Spruchbändern der Ultras ist bisweilen harsch, aber die Erfahrung zeigt, dass die Parolen nur dann gehört werden, wenn sie auch mal unverschämt wirken. Verwunderlich ist derzeit jedoch, was an abgespielten Tennisbällen noch in deutschen Haushalten lagert (neue wird wohl niemand kaufen, um sie sofort aus der Hand zu geben) – und erstaunlich, dass so viele Menschen der Versuchung widerstehen, einen Schokotaler einfach zu essen. Darum ist die Endlichkeit dieses Protests schon aufgrund seines Ressourcen-Managements absehbar.

Was die Protestkultur bewirken kann? Bisher sind die Erfolge von Widerstand aus den Kurven überschaubar. Die Montagsspiele in diversen Ligen wurden eingestellt – aber wohl auch, weil das Fernsehen das Interesse an ihnen verlor. Und der VAR steht bei aller Umstrittenheit nicht vor der Abschaffung – die gegen ihn wettern, kommen ja weiterhin in die Stadien, bestätigen indirekt die DFL-Politik, die Besucherzahlen sind umwerfend gut.

Sollte der Investorendeal der DFL doch noch kippen, dann, weil er sich für die Liga schlicht nicht rechnet. Aber die Fanszenen wären mit dieser Entwicklung wohl durchaus einverstanden – ohne offiziell als Sieger ausgewiesen zu werden.

Guenter.Klein@ovb.net

Artikel 1 von 11