München – Offiziell ist es die Vorstellungsrunde des neuen Finanzchefs, doch das gerät bald in den Hintergrund. Der Mann in der Mitte des Podiums wirkt schon nach wenigen Minuten etwas verloren, denn sein Nebensitzer rechts ist 1860-Präsident Robert Reisinger – und der kommt natürlich nicht mit seinem abgelesenen Eingangsstatement zu Oliver Mueller (45) davon. Wollte er vielleicht auch gar nicht. Sondern: vermeintliche Alleingänge des e.V. erklären, Verständnis schaffen für Entscheidungen, die der Mitgesellschafter als Provokation empfindet. Und auch das: einen Blogger einnorden, den Reisinger als notorischen Störenfried ansieht. „Sie schaden mit Ihrer Berichterstattung schon seit Jahren 1860 München“, giftet der Oberlöwe in Richtung des db24-Gründers, dessen Fragen er nicht beantworten wird. Denn: „Für mich sind Sie die Ursache von Spaltung und Hass in diesem Verein.“
Dass das Medienstüberl voll ist wie selten und neben den üblichen Reportern auch Vertreter anderer wichtiger 1860-Instanzen anwesend sind (Ismaik-Mann Anthony Power, NLZ-Chef Manfred Paula. Vize Hans Sitzberger) – für Reisinger ein willkommener Anlass, diese alte Rechnung zu begleichen. Oliver Mueller hört aufmerksam zu, wie sich Reisinger kurzzeitig in Rage redet. Dass das kein gewöhnlicher Verein ist, bei dem er da gelandet ist, dürfte dem ehemaligen Chef der Kölner Haie spätestens da klar geworden sein.
Mehr Fragen als zu Mueller selbst kreisten denn auch um Vorgänger Marc-Nicolai Pfeifer, der am Freitag – schon im Beisein des Neuen – seine Entlassungspapiere erhalten hat. Frage unserer Zeitung: Hätte man das nicht ein bisschen stilvoller lösen können? Nein, sagt Reisinger, der die Stabübergabe von Angesicht zu Angesicht für einen „ganz normalen Vorgang“ hält. Auch die Frage, was er denn Pfeifer vorwerfe, pariert er unaufgeregt: „Ich werfe ihm überhaupt nichts vor. Wir haben strategisch entschieden – mit Blick auf die neue Saison. Da macht es einfach Sinn, diese Position frühzeitig zu verändern.“ Im Übrigen habe er sich offiziell bei Pfeifer für die dreieinhalbjährige Zusammenarbeit bedankt.
Leise Kritik am „Ex“ konnte man aber heraushören, als Reisinger gleich zu Beginn darlegte, was er von Mueller künftig erwarte. Nämlich: Dass er die Geschäfte der KGaA auch „tatsächlich führt“ – und nicht in die Gremien verlagert: „Sonst tät’ man ja von einem Geschäftsdelegierer sprechen – oder von einem Geschäftsverwalter.“ Zentrale Themen, die Reisinger meint, betreffen den Sportetat („früher aufstellen – nicht im Sommer scheibchenweise erhöhen“), das Nutzbarmachen der Nachwuchsarbeit „so, dass der TSV 1860 sportlich und wirtschaftlich profitiert“ – und natürlich die Stadionfrage, in der unter dem fleißigen Sponsorenbeschaffer Pfeifer wenig vorangegangen ist.
Ach ja, der Neue. Mueller ließ durchblicken, wie er seine neue Aufgabe bei 1860 anzugehen gedenkt. Wichtige Themen teile er in vier Cluster ein – „von sehr wichtig/sehr dringend bis nicht wichtig/nicht dringend“. Seine Herangehensweise an Probleme sei: „Aufnehmen, analysieren, annehmen – und dann lösen.“ Zum Beispiel beim Zündstoffthema Finanzen: „Als Schwarzwälder widerstrebt es meiner eigenen DNA, kontraproduktive Ausgaben über irgendwelche Darlehen zu finanzieren.“ Und generell gelte: „Den Oliver Mueller gibt’s nur mit Vollgas. Halbgas kann ich nicht, konnte ich noch nie – was Vor- und Nachteile hat.“
Grundsätzlich sieht sich der in NRW wohnhafte Badener aber gerüstet, die Herkulesaufgabe 1860 zu meistern. „Wir tun gut daran, uns aus vereinspolitischen Aktivitäten herauszuhalten“, sagte er und meinte „ich“. Er betonte: „In einem Spannungsfeld arbeiten – ich denke, das kann ich.“ Nicht die allerschlechteste Voraussetzung bei einem Verein wie 1860.