Nach seinem Aus beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) sprüht Oliver Bierhoff (55) wieder vor Tatendrang. Im Interview spricht er über sein neues Leben.
Nach der WM 2022 sind Sie als DFB-Geschäftsführer Nationalmannschaften und Akademie zurückgetreten. Haben Sie an Lebensqualität dazugewonnen?
Die Arbeit beim DFB hat mir sehr viel Spaß gemacht, aber wenn Lebensqualität weniger Stress bedeutet, dann auf jeden Fall. Beim DFB war ich 150 Tage im Jahr unterwegs, dazu ständigem medialen Druck ausgesetzt. In einem politischen Verband zu agieren, bedeutet auch viel aktives Management. Aber es war eine tolle Aufgabe, die mich erfüllt hat. Als ich 2003 meine Spielerkarriere beendet habe, habe ich mit dem Weltklasse-Sprinter Michael Johnson gesprochen. Er sagte: Jeder, der aufhört, merkt schnell, wie viel Druck man während seiner aktiven Zeit hatte. Als Sportler horcht man ständig in seinen Körper rein. Wenn ich das mit meiner Managerzeit vergleiche: Oft bin ich abends mit dem Druck ins Bett gegangen, am nächsten Tag in zehn bis 15 Meetings zu sein und wichtige Mails zu beantworten, um Projekte voranzuschieben.
Medial ist es ruhig um Sie geworden.
Ich habe mich bewusst sehr zurückgezogen, weil ich nicht die Gefahr eingehen wollte, dass man den Eindruck haben könnte, da versuche hinterher noch jemand, die Schuld abzuladen. Ich bin überzeugt: In solchen Momenten muss man konsequent den Schritt gehen und die Klappe halten. Es tat mir gut, medialen Abstand zu haben und mir Gedanken darüber machen zu können, was ich in Zukunft machen will. Diesen Prozess kann man aktives Warten nennen.
Kam ein neuer Job bei einem Topclub im Fußball infrage?
Es gab die ein oder andere Anfrage. Aber ich hatte den Eindruck, dass vielen Clubs schon bewusst war, dass gewisse Optionen für mich nicht infrage kommen. Wenn man die deutsche Nationalmannschaft betreut hat, gibt es nicht viele Aufgaben, die vergleichbar sind. Grundsätzlich mache ich jedoch die Attraktivität einer Aufgabe nicht nur an Renommee, Namen oder Größe aus. Viel wichtiger ist mir das Projekt an sich, die Menschen, die dahinterstehen. Ich habe relativ schnell für mich beschlossen, ein Vereinsengagement auszuschließen. Ich wollte bewusst einen neuen Schritt gehen. Nach meiner Karriere als Spieler und anschließend als Verbands- und Nationalmannschaftsmanager hat sich die Kombination von Sport und Business richtig angefühlt.
Klingt nach einer intensiven Phase. War eine große Auszeit kein Thema?
Ich bin kein Typ fürs Nichtstun, habe schon seit meiner Kindheit immer wieder neue Aufgaben gesucht. Ich würde mir manchmal wünschen, mehr Ruhe und Gelassenheit dabei zu haben. Allerdings ist mir auch wichtig, immer mal wieder zurückzutreten, mir Freiraum und Abstand zu schaffen, um das große Bild zu sehen. Ich habe relativ schnell gemerkt, dass ich noch Tatendrang habe.
Im vergangenen November gaben Sie bekannt, die FINVIA Sports GmbH gegründet zu haben. Es geht um Vermögensanlage für Spitzensportler. Wie kann man konkret darunter vorstellen?
Wir kümmern uns um das Vermögen von Menschen, insbesondere von Sportlern, die sich häufig in jungen Jahren voll auf den Job konzentrieren, gleichzeitig ein gutes Einkommen haben und für die Zeit nach der Karriere vorsorgen müssen. Wir stehen an der Seite der Sportler, besprechen mit ihnen, wohin die Reise gehen soll, welche Ziele und Wünsche sie haben. Und anschließend beraten wir sie nach einer exakten Strategie, wo sie ihr Vermögen bestmöglich investieren sollen. Der Steuerberater macht deine Steuer. Der Anwalt vertritt dich vor Gericht –und wir kümmern uns um dein Vermögen. Als neutrale Instanz.
Sie haben analysiert, dass jeder achte Profifußballer nach der Karriere pleite ist. Warum?
Vereinfacht gesagt: Es kommt zu wenig rein und es geht zu viel raus. Zudem unterschätzen die meisten die Inflation. Wenn ich das Gleiche wie vor ein paar Jahren ausgebe, wird der Wert meines Geldes mit der Zeit immer weniger. Viele Menschen haben keinen Überblick über das, was sie haben und wie sie damit leben können. Ich habe meinen Nationalspielern immer gesagt – und so bin ich es auch selbst angegangen: Mach am Ende der Karriere eine Abrechnung, überlege dir, was du ausgeben möchtest und lass dir dann sagen, wie du es investieren musst, um deinen Lebensstandard halten zu können. Das passiert aber nicht. Der Profi hat meist in seiner aktiven Karriere auf sehr hohem Niveau gelebt. Viel Geld ist reingekommen. Wenn man den Lebensstandard halten will und nach der Karriere nicht mehr arbeitet, halte ich eine ordentliche Finanzplanung für absolut notwendig und entscheidend. Ein durchschnittlicher Fußballprofi hat sich zwar ein gutes Vermögen aufgebaut. Aber wenn er ohne Strategie vorgeht, wird es kaum bis zu seinem Lebensende ausreichen.
Während Ihrer Zeit als DFB-Manager haben Sie regelmäßig erfolgreiche Menschen aus der Wirtschaft zu Vorträgen vor der Nationalmannschaft eingeladen. Wie wichtig ist es für junge Sportler, sich mit dem Thema Geld auseinanderzusetzen? Sollten das Vereine und Verbände in der Ausbildung von Fußballern thematisch mitbespielen?
Das kommt in der gesamten Gesellschaft zu kurz. Man spricht an sich ungern über Geld. Ich würde mir in Schulen und Akademien mehr Offenheit und spielerischen Umgang mit dem Thema Geld wünschen. Darauf basiert unser Marktsystem. Jedem Menschen hilft das. Ich mache mir Gedanken, was man Spielern noch als Hilfsmittel mitgeben kann.
Sie haben Wirtschaft studiert. Ein Vorteil?
Es hilft, ein Verständnis für die Finanzprodukte zu haben. Mein wichtigster Rat, nicht nur für Finanzen, ist aber: Hol dir gute Experten an deine Seite. Nutze dein Netzwerk und geh nicht blauäugig in jedes Investment, nur weil die Person, die dir dazu rät, sympathisch ist. Eine Regel habe ich mitgenommen: Man kann Glück und Geld haben, aber die Gier darf nicht dazukommen. Gier ist immer gefährlich: im Beruf, im Privatleben und beim Thema Finanzen. Wenn man gierig ist, fällt man auf die Schnauze.
Interview: Philipp Kessler