Müller wird zum Vulkan

von Redaktion

Brandrede und „Eier“-Befehl nach 0:3 in Leverkusen – im Fokus: die Mitspieler, nicht der Coach

VON VINZENT TSCHIRPKE

Leverkusen – Es dauerte bis zur 83. Minute, bis der unvermeidliche Gesang durch die BayArena hallte: „Zieht den Bayern die Lederhosen aus!“, sangen die Leverkusener Fans. Der Münchner Gästeblock konterte zwar mit einem „Ihr werdet nie Deutscher Meister!“, die Frage nach dem 3:0 (1:0) am Samstagabend lautet aber: Wie lange stimmt das noch? Schließlich scheint ein Titel der Werkself nach der Machtdemonstration gegen den überforderten Rekordmeister nur noch eine Frage der Zeit – Grund genug für Thomas Müller (34), nach Abpfiff zum Rundumschlag auszuholen!

Am „Sky“-Mikrofon kritisierte der Routinier seine Mitspieler scharf: „Was mir fehlt von uns Spielern: Im Training zeigen wir deutlich bessere Ansätze, weil wir da mutig sind, weil wir frei Fußball spielen.“ Danach wurde Müller deutlich. „Da fehlen mir, und da können wir unseren Oliver Kahn zitieren, teilweise die Eier und diese Freiheit. Wir haben eine Verkopftheit in unserem Spiel vor allem mit Ball“, so der „angefressene“ Routinier. Im Topspiel haperte es neben der katastrophalen Defensiv-Leistung vor allem in der Offensive. Der FC Bayern erspielte sich keine einzige Torchance – ein Novum, das seit der Saison 1989/90 erst ein einziges Mal vorkam (beim 0:0 in Rostock am 10. November 1995). Leverkusen dagegen hätte mit einer besseren Chancenverwertung sogar noch höher gewinnen können.

Ihr Erfolgsgeheimnis? Die Werkself „zockt einfach, die spielen Fußball, die suchen Lösungen“, so der sichtlich aufgebrachte Müller. Beim FC Bayern herrschte dagegen wenig Kreativität im Offensivspiel: „Wir spielen da von A nach B, von B nach C – und keiner hat die Freiheit, einfach zu zocken“, schimpfte Müller und ergänzte: „Man darf den Druck spüren, aber das muss einem Energie geben.“

Dass nun auch Trainer Thomas Tuchel (50) in der Kritik steht, dürfte dem Routinier klar sein. Trotzdem nahm Müller seinen Coach, der ihn erst zur 60. Minute aufs Feld schickte, in Schutz: „Da braucht man nicht schießen. Es gibt nicht immer ein Warum. Wenn das, was mir fehlt, im Training da ist und der Trainer spricht diese Lücken an, dann müssen wir auch mal die Spieler anpacken.“ Vielmehr suchte der Nationalspieler die Schuld bei sich und seinen Teamkollegen: „Heute waren wir nicht da. Wir haben 3:0 verloren, es waren genügend Spieler von internationalem Format dabei und da braucht man nicht die Schuld beim Trainer zu suchen.“

Angesprochen auf das Taktik-Experiment vom Coach, der erstmals in dieser Spielzeit eine Fünferkette auflaufen ließ und somit auch Müller einen möglichen Platz in der Offensive klaute, stellte der Weltmeister klar: „Der Ansatz, das Leverkusener System zu spiegeln und aggressiver zu sein, hat man in den ersten zehn Minuten gesehen und das hat ganz gut funktioniert.“ Tatsächlich spielte der Rekordmeister in der Anfangsphase gut mit – kassierte dann aber nach mehreren Großchancen den Bayer-Führungstreffer und war fortan aus dem Spiel. Der Grund dafür seien vor allem Entscheidungen „mit Ball“ gewesen, „was nichts mit dem taktischen Ansatz zu tun hat, sondern mit Spielintelligenz und Selbstständigkeit, auf dem Platz Entscheidungen zu treffen.“

Harte Worte von Bayern-Legende Müller – der zum Abschluss immerhin ankündigte, sich in Zukunft „dringend steigern“ zu wollen. Das Champions-League-Match am Mittwoch bietet dafür die beste Gelegenheit. Die Lederhosen in Rom ausgezogen bekommen, macht wirklich keinen Spaß.

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