HSV trennt sich von Tim Walter

Die verhinderten Erstklassigen

von Redaktion

GÜNTER KLEIN

Die Trainerentlassung beim Hamburger SV, das sind zwei sehr starke Themen auf einmal. Es gibt nur wenige Clubs, die eine solche Schaulust provozieren wie der HSV, auch wenn er seit ein paar Jahren nur noch in der 2. Liga spielt und sich von „unabsteigbar“ zu „unaufsteigbar“ gewandelt hat. Ähnlich stark sind die Emotionen, die Tim Walter hervorruft, der Trainer, den es erwischt hat. Noch kein Erstligist hat sich ihm jemals anvertraut, doch er sagt mit großem Selbstbewusstsein: „Zweite Liga schau’ ich nicht.“ Und er hat es ohne Widerstand hingenommen, dass die Taktikblogger seine Art, Fußball spielen zu lassen, als „Tim-Walter-Ball“ bezeichneten. Club und Coach: Zwei Parteien, die sich beide als erstklassig wahrnehmen, ohne es zu sein – ein interessanter Ansatz, nun aber eben auch gescheitert.

Dem Verein muss man schon attestieren, dass er versucht hat, eine andere Personalkultur zu etablieren als die des ständigen rachsüchtigen Wechsels auf der wichtigsten Position, der des Trainers. Er hat trotz zweimaligen Verfehlens des jeweiligen Saisonziels an Walter festgehalten, und wie es nach der verpatzten Relegation 2023 zum Schulterschluss des Publikums im Volksparkstadion mit dem exzentrischen Trainer und seiner Truppe kam, das hat den Eindruck vermittelt, dass eine Grundlage da ist, es eben im dritten Anlauf gemeinsam zu schaffen. Vielleicht versucht HSV-Sportchef Jonas Boldt nun mit der Trennung von Walter, einen anderen Fehler aus der Vergangenheit zu vermeiden. Denn auch das emotionsgetriebene Festhalten an jemandem kann falsch sein – letzthin gab es Spiele, gegen Karlsruhe und nun Hannover, die belegten, dass die Mannschaft sich nicht mehr entwickelt, sondern im Kreis dreht.

Interessant bei der Figur Walter, die ja schon bei der zweiten Mannschaft des FC Bayern (2017/18) den Verein wissen ließ, dass er sich durchaus zutraue, die Meister-Profis zu coachen: Schon der VfB Stuttgart entließ ihn in der 2. Liga (Dezember 2019), obwohl die Lage tabellarisch nicht schlecht war. Eine schwere Entscheidung, aber die richtige, denn der VfB stieg mit dem dann verpflichteten Pellegrino Matarazzo auf.

Tim Walter wird es nicht umwerfen, dass er es wieder nicht gepackt hat. Wenigstens erfolgte der Rauswurf zeitlich so, dass er jetzt erst einmal in Ruhe das Achtelfinale der Champions League schauen kann.

Guenter.Klein@ovb.net

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