Tuchels Fehlerliste

von Redaktion

Taktik und Hierarchie: Die Bayern im Krisen-Check – wackelt der FCB-Coach?

VON MANUEL BONKE UND PHILIPP KESSLER

München – Ziemlich genau 24 Stunden waren nach dem Wut-Interview von Thomas Müller („Da fehlen mir teilweise die Eier“) vergangen, da meldete sich der 34-Jährige noch mal in den sozialen Medien zur 0:3-Blamage des FC Bayern gegen Bayer Leverkusen zu Wort – und schlug erneut drastische Töne an: „Das Spiel gestern war für uns ein absoluter Albtraum!“ Im nächsten Moment gab sich das bayerische Urgestein aber schon wieder angriffslustig: „Der Kampf um den Titel ist noch nicht vorbei.“ Aber woran hakt es genau beim deutschen Rekordmeister im Frühjahr 2024?

Taktik: Auch die Münchner Führungsetage war überrascht, dass Trainer Thomas Tuchel im Spitzenspiel von seiner 4-2-3-1-Formation abwich und stattdessen auf ein 3-4-3-System mit Neuzugang Noussair Mazraoui und Sacha Boey als sogenannte Schienenspieler. Dabei hatte sich dieser Taktik-Kniff schon unter der Woche abgezeichnet.

Wie unsere Zeitung erfuhr, hielt Tuchel-Assistent Arno Michels einige Tage vor dem Spitzenspiel einen Vortrag für die Jugendtrainer am Bayern-Campus und ging dabei auch auf die Mannschaft von Xabi Alonso ein. Tenor: Die Werkself sei so gut, dass es intensive taktische Lösungsansätze brauche. Tuchel & Co. erklärten das Spiel indirekt zum „Coaches-Game“ und nicht zum „Players-Game“. Der Auftritt von Michels ließ viele der Anwesenden Übungsleiter mit dem Eindruck zurück, dass man Angst vor Leverkusen hätte. Mia san mia? Fehlanzeige!

Hierarchie: Trotz guter Leistungen in den vergangenen Spielen setzte Trainer Tuchel Abwehrspieler Matthijs de Ligt auf die Bank. Stattdessen setzte er auf Neuzugang Eric Dier, den Jetlag geplagten Minjae Kim und Dayot Upamecano, der aus einer Verletzung kam. Diese Entscheidung sorgte bei einigen Spielern für Kopfschütteln. Darüber hinaus verzichtete der Münchner Fußballlehrer auf die erfahrenen und Spitzenspiel erprobten Joshua Kimmich und Thomas Müller. Von einer Hierarchie war auf dem Platz dementsprechend keine Spur. „Thomas Tuchel hat gruppenpsychologisch so ziemlich alles falsch gemacht, seit er Bayern vor einem Jahr übernommen hat“, erklärt Peter Freiherr von Quernheim. Der Coach von Führungskräften (Check24, Dekra, Schörghuber) sieht vor allem die permanente Forderung nach neuen Spielern als „gruppenpsychologisches Gift in Bezug auf die jeweils aktuelle Hierarchie im Team. Denn Hierarchie bedeutet nicht, diese zu haben, sondern dass ein jeder Spieler das System der Hierarchie akzeptiert“. Kurios: Als Tuchel das Amt von Vorgänger Julian Nagelsmann übernahm, bemängelte er, dass es in der Mannschaft keine Hierarchie gebe – und wollte dies ändern. Ex-Profi und Dauer-Kritiker Didi Hamann sagte bei Sky: „Die Bayern machen momentan Einzelsport in der Gruppe.“

Kopf: Ur-Bayer Müller bemängelte, dass die Spielweise zu „verkopft“ sei und die Mannschaft nicht zocke. Nach unseren Informationen sieht es Tuchel in der Tat nicht gerne, wenn seine Offensivkräfte ins Risiko-Dribbling gehen. Stattdessen fordert er intensives Anlaufen und eine konsequente Konterabsicherung. Von seinen Mittelfeldspielern fordert er, im Spielaufbau auf Sicherheit, statt Risiko zu setzen. Das Problem dieser strengen taktischen Vorgaben ist in beiden Mannschaftsteilen identisch: Es wird auf dem Platz zu viel überlegt.

Trainer-Posten: Noch stellen sich die Bosse schützend vor Tuchel. Für Lothar Matthäus wäre es aber kein „Wunder“, wenn Tuchels Job in Gefahr geriete. „Intern wird bestimmt diskutiert. Muss es sogar. Alles andere wäre nicht Bayern-like“, schrieb der Rekordnationalspieler in seiner Sky-Kolumne. Tuchel sei in Leverkusen „all-in gegangen und hat sich verzockt“, meinte Matthäus: „Man hatte den Eindruck, dass er es allen zeigen wollte und es hat leider nicht funktioniert.“

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