München – Aus dem Mund von Ciro Immobile klingt die Sache ganz einfach. Denn den Schlachtplan gegen den FC Bayern formuliert der Ex-Dortmunder und inzwischen langjährige Lazio Stürmer wie folgt: „Mit purer Freude und Leichtigkeit spielen.“ Das gilt für sein Team, das pünktlich zur Generalprobe gegen Cagliari Calcio den ersten Erfolg nach drei sieglosen Spielen eingefahren hat (3:1). Das gilt aber auch für den 33-Jährigen selbst – der regelrecht beschwingt in dieses Achtelfinal-Duell geht.
Anders als Harry Kane, sein Pendant im roten Trikot, hat Immobile am Wochenende allen Grund zum Feiern gehabt. Zum einen, weil er mit seinem Treffer zum 2:0 für klare Verhältnisse gesorgt hatte. Vielmehr aber, weil er mit diesem Tor, seinem sechsten in der laufenden Serie A, die Schallmauer von 200 Treffern in der italienischen Liga durchbrochen hat. Immobile, seit 2016 im Lazio-Dress, reihte sich neben den großen Namen Roberto Baggio, Antonio di Natale und Francesco Totti ein und ist nun der achtbeste Torschütze in Italiens Oberhaus. Einer, der in den Annalen stehen wird – also genau dort, wo Kane in der Bundesliga hinwill.
Aktuell steht der 30-Jährige bei 24 Treffern – einer überragenden Quote, ohne Frage. Aber man übertreibt nicht, wenn man sagt, dass der Engländer im Fußballjahr 2024 durch ein Formtief geht. Der Eindruck drängte sich nicht erst beim bisherigen Tiefpunkt im Topspiel (0:3) bei Bayer Leverkusen auf, wo Kane auf exakt 18 Ballkontakte kam. Schon in den Partien zuvor war er längst nicht so gut eingebunden wie in weiten Teilen der Hinrunde. 22 Berührungen am Ball zählten die Statistiker etwa in Augsburg, wo man am Ende mit 3:2 gewann. Lediglich die regelmäßigen Treffer kaschierten einen Trend, der sich seit Wochen abzeichnet – und mit Kane persönlich, aber auch dem gesamten Spiel des FC Bayern zu tun haben.
Als „wirklich enttäuschender Tag mit dem Ball“ bezeichnete Kane selbst den desolaten Auftritt der Münchner Vorderreihe beim Tabellenführer aus Leverkusen. Und auch Sportdirektor Christoph Freund war mit dem Offensivspiel nicht glücklich: „Es ist wirklich erstaunlich gewesen, dass wir uns fast keine Torchancen herausgespielt haben. Das ist sehr untypisch für den FC Bayern. Ich hoffe, dass das eine Ausnahme war.“
Ohnehin wurde in den vergangenen Wochen selten dahin gepasst, wo Kane stand. Und selten stand Kane da, wo er in seinen ersten Monaten in München verzückte: im Mittelfeld, wenn er sich jene Bälle abholte, die er ein, zwei Laufwege später selbst verwertete.
Vor allem das Zusammenspiel mit Leroy Sané war so eine Geschichte, in der es nur Gewinner-Typen zu geben schien. Den 100-Millionen-Mann, der durchstartet und den 41-Tore-Rekord von Robert Lewandowski pulverisiert. Und den deutschen Nationalspieler, der auf dem Weg zur Heim-EURO endlich vor Selbstvertrauen strotzt. Auch dazu gibt es ein paar Zahlen: Auf acht Treffer und neun Assists kam Sané in der Hinrunde, in der laufenden Rückrunde steht er bei einer Torvorlage – und einer Menge Frust. Am Samstag war es vielleicht ganz gut, dass Tuchel sich eher für seine Defensive als für seine Offensive erklären musste. Ein „Ich weiß nicht, warum wir ihn nicht richtig einbinden konnten“ wird als Lösungsansatz für das offensichtliche Kane-Problem aber auf Dauer nicht reichen. Auch um Lazios Abwehr zu überwinden, wird es Kreativität brauchen – wie ein Blick in die Statistik beweist: Das häufigste Ergebnis der Römer in der laufenden Saison war ein 1:0.
Es liegt an Kane (und Co.), diesen Trend zu durchbrechen. Vielleicht hilft Immobiles Rezept dabei. Mit Freude und Leichtigkeit geht es meist besser. Und das muss es zweifellos. HANNA RAIF