Die Rückkehr des Jackson-Ziehsohns

von Redaktion

Steve Walker formte Schwenningen zum DEL-Topteam – am Donnerstag gastiert er in München

VON GÜNTER KLEIN

München – Zum heutigen (19.30 Uhr) DEL-Spiel des EHC Red Bull München gegen die Schwenninger Wild Wings wurden Frauen vergünstigte Eintrittskarten angeboten, die Aktion „Mädelsabend“ gibt es jede Saison – und gefühlt trifft es immer die Schwenningen-Partie. Weil sich das halt so liest wie ein Treffen, das einen werblichen Schub braucht, um zum Besuch zu animieren. Dieses Jahr hätte das Match aber auch ohne PR gut laufen müssen, denn der Club aus Baden-Württemberg ist eine der positiven Erscheinungen der Saison. Nicht mehr der verlässliche, langweilige Playoff-Verpasser, sondern acht Spieltage vor Ende der Hauptrunde Fünfter – und damit zwei Plätze und vier Punkte vor Meister München liegend.

Alle anderen Teams, die schon im vergangenen Jahr im unteren Tabellendrittel standen, sind dort auch heuer zu finden – nur Schwenningen hat einen Aufwärtstrend einleiten können. Was an einem liegt, den man in München gut kennt. Wobei: Eigentlich kennt man ihn kaum – dafür, dass er vier Jahre beim EHC wirkte. Es war halt ein Job in der zweiten Reihe. Co-Trainer von Don Jackson. Gelegentlich trat Steve Walker vor die Mikrofone von MagentaSport, aber das musste schon aus einem besonderen Anlass heraus sein. Meist, wenn der EHC gegen Berlin spielte, denn bei den Eisbären wurde Walker als Spieler einst zur Legende. Seine kompletten elf Jahre in Deutschland verbrachte er dort, von 2000 bis 2011, es kamen über 600 DEL-Partien zusammen und mehr als 200 Tore, er wurde fünfmal Deutscher Meister. In Berlin traf er auch auf Don Jackson.

Wie eng Walker (51) und Jackson (67) sind, wurde auf der Meisterfeier des EHC München im April 2023 deutlich. Don Jackson hatte sich entschieden, als Trainer aufzuhören, er zog vor den Fans Bilanz der Karriere und des Lebens, und mehr als jeder andere kam Steve Walker darin vor. Sein Kapitän in Berlin, sein Ratgeber in München, wohin Jackson ihn 2019 geholt hatte. Ein absolutes Vertrauensverhältnis. Für den EHC galt es, nicht nur vom Cheftrainer Jackson Abschied zu nehmen, sondern auch von Steve Walker, der sich neu orientierte.

Dass er selbst nach einem Chefposten strebte, überraschte. Denn Walker hatte seine Trainerkarriere nicht gerade mit Vehemenz vorangetrieben. Zunächst war er Coach eines Jugendteams in Kanada gewesen, dann zwei Jahre auf einer Assistentenstelle bei den Adlern Mannheim, aber er erwischte da keine gute Zeit, sondern eine voller Turbulenzen. 2017/18 trat er dann die Chefstelle beim Klagenfurter AC in Österreich an, ließ es aber nach einer Saison wieder sein. Er pausierte ein Jahr, und als Don Jackson ihn 2019 nach München holte, musste Walker erst einmal feststellen, dass seine Trainerlizenz abgelaufen war.

In München sah man ihn als genügsamen und stillen Zuarbeiter für Übervater Don Jackson, die Kronprinzen waren, wie Christian Winkler, der Red-Bull-Eishockeychef, neulich sagte, andere: Matt McIlvane, den man in Salzburg geparkt hatte, und eben Toni Söderholm, obwohl der 2019 Bundestrainer wurde. Weil es nun unter Söderholm beim EHC etwas knarzig läuft, gestatten die Fans sich gelegentlich den Gedanken, wie Münchens Mannschaft spielen würde, hätte man Walker zum Boss ernannt. Schließlich war er mit dem Personal vertraut.

Als Co-Trainer unter Söderholm habe Walker nicht bleiben wollen, wird geraunt. Wenn es Spannungen gibt, haben die beiden Coaches sie sich bei den bisherigen Begegnungen jedoch nicht anmerken lassen. Söderholm nennt Walker freundlich bei seinem Eishockey-Spitznamen „Walks“.

Jedenfalls: In Schwenningen kann Steve Walker sich verwirklichen. Assistent oder Chef, „ich sehe keinen großen Unterschied“, sagt er. Er trägt nun die Verantwortung, hat öffentliche Aufgaben bekommen. So wie er sein Trainerteam und die Mannschaft führt, orientiert er sich an Don Jackson. Im Spielstil sowieso: „Wir wollen eine Mannschaft sein, die aktiv und leidenschaftlich forecheckt, um so viel Zeit wie möglich in der offensiven Zone zu verbringen.“ Das geht auch mit den Wild Wings und besonders gut in Heimspielen, denn die Schwenninger Arena hat NHL-Maße, ist vier Meter weniger breit als die anderen DEL-Eisflächen. Walkers Team, dem mit Verteidiger Daryl Boyle (36) ein München-Mitbringsel angehört, führt die DEL-Heimtabelle an. Auswärts ist es allerdings Vorletzter.

Die Wild Wings sind mit ihrem amerikanischen Coach hochzufrieden, sie haben seinen Vertrag bis 2026 verlängert. In München wird er also nur noch zu Gast sein. Als Gegner.

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