Mehr Eishockey passt gar nicht in ein Leben – das ja auch noch das einer dreifachen Mutter ist: Ronja Jenike (34) ist Co-Trainerin bei der deutschen Nationalmannschaft der Frauen, Expertin beim Sender MagentaSport, ihr Ehemann Andreas Jenike steht im Tor der Iserlohn Roosters in der DEL. Wie kriegt man das alles auf die Kette?
Frau Jenike, wenn Sie beim Einchecken in ein Hotel fürs Meldeformular den Beruf angeben müssen: Welchen schreiben Sie drauf? Den der Sportwissenschaftlerin, was Sie studiert haben, der Eishockey-Trainerin oder der Medienschaffenden?
In erster Linie den der Mama . . . Ich habe gerade ein Formular ausgefüllt, den Esta-Antrag für die Einreise im April zur Frauen-Weltmeisterschaft. Da habe ich Trainerin eingetragen, weil das am besten passt. Der Deutsche Eishockey-Bund nennt mich Development Coach.
Vom Alter her könnten Sie auch noch spielen.
Manchmal gehe ich noch aufs Eis, mit den Old Roosters in Iserlohn, also den Alten Herren.
Sie waren Nationalspielerin, erlebten 2017 den größten Erfolg des deutschen Frauen-Eishockeys mit: WM-Halbfinale, Platz vier. Danach haben Sie aufgehört.
Die Qualifikation für Olympia 2018 in Pyeongchang hatten wir verpasst, mir war klar, dass ich nicht noch einen olympischen Zyklus mitmachen wollte. Ich war da ja auch schon 28.
Also Familienplanung. Dennoch tauchen Sie in den Statistiken der Saison 2022/23 noch einmal mit zwei Bundesligaspielen für den ESC Planegg in den Statistiken auf.
Ich babe für zwei Spiele ausgeholfen. Michael Lehmann, mein früherer Trainer, rief an: Planegg hatte Schwierigkeiten, einen Kader zusammenzubekommen, er bat, ich solle mich wenigstens auf die Bank setzen. Ich sage mir aber immer: Wenn ich stehen bleibe, roste ich. Und wenn ich mich umziehe, will ich auch aufs Eis. Also bin ich für zwei Spiele von Planegg in Bergkamen aufgelaufen. Michi Lehmann hat derweil auf meine damals zwei Kinder aufgepasst. Das war das erste Mal, dass die mich auf dem Eis gesehen haben.
Als Trainerin sind Sie nicht nur bei einer Mannschaft.
Jetzt gehe ich eigentlich nur noch mit der Frauen-Nationalmannschaft aufs Eis. Aber zuvor habe ich bei den Young Roosters in Iserlohn die Laufschule gemacht, bei U 7, U 9, U 15, U 17 geholfen.
Trainerin sein heißt nicht nur, beim Training aufs Eis zu gehen und bei den Spielen eine Coaching-Aufgabe zu übernehmen. Das ist sicher mehr.
Wir haben mit Jeff MacLeod einen neuen Bundestrainer, den arbeiten Jennifer Harß (frühere Nationaltorhüterin. d. Red,) und ich ins deutsche Fraueneishockeysystem ein. Wir sind seine helfende Hand. Wir beide waren lange im deutschen Eishockey unterwegs, Jenny hat den Sport sogar als Profi in Deutschland betrieben (sie spielte bei den Männern in der Oberliga mit, d. Red.). Ich hatte nach meiner aktiven Zeit etwas Pause, die habe ich auch gebraucht, um meinen Blick zu erweitern. Im Sommer mache ich den Trainer-A-Schein.
Könnte man in Deutschland davon leben, Eishockey-Trainerin zu sein?
Absolut, denn man kann das ja als Trainer. Ich habe darüber mit Karl Schwarzenbrunner, dem Bundestrainer für Ausbildung und Wissenschaft im DEB, gesprochen, er ist meiner Ansicht. Ich denke, dass wir bald eine Trainerin in der DEL sehen werden, zumindest als Assistentin wie vor zwei Jahren Jessica Campbell in Nürnberg. Das kann und wird funktionieren. Bis jetzt sind halt die Trainerinnen mit A-Schein an zwei Händen abzuzählen.
DEL-Trainerin Ronja Jenike – denkbar?
Ich würde es nicht komplett ausklammern. Aber dieses Feld kann ich erst bestellen, wenn der Papa unserer Kinder nicht mehr aktiv auf dem Eis steht – und zuhause aufpassen kann.
Wie kam es dazu, dass Sie TV-Expertin wurden? Ihr erster Einsatz war 2021 bei der Olympia-Qualifikation der Frauen in Füssen.
Richtig. MagentaSport hatte beim DEB angefragt, ob die jemanden wüssten. Ich hatte in meiner Zeit als DEB-Pressesprecherin mit Peter Kohl das Frauen-Olympiaturnier 2014 in Sotschi kommentiert. Ein bisschen was hatte ich also geredet. 2021 habe ich das dann an der Seite von Christoph Fetzer gemacht.
Und MagentaSport machte Sie danach zur Expertin auch in der DEL.
Magenta ist fortschrittlich, was die Besetzung der Expertenpositionen angeht, die ganze Produktion ist jung und dynamisch, und der Gedanke, eine Frau dazuzunehmen, war nicht weit weg. Und weil ich mir doch sehr viele DEL-Spiele anschaue, mehr als jemand, der keinen Ehemann in der DEL hat, hat sich das angeboten.
Welche Reaktionen erleben Sie?
Ich suche nicht nach Meinungen im Internet, die würden mich auch nicht ändern. Auf der Straße wurde ich auch noch nicht für Lob oder Tadel zur Seite genommen. Von ein paar Spielern, die ich länger kenne, habe ich gehört: ,Finde ich cool, wie du es darstellst.’
Bei Spielen Ihres Mannes mit Iserlohn werden Sie aber nicht eingesetzt?
Ein Roosters-Spiel hatte ich diese Saison, in Düsseldorf. Ich verstelle mich da nicht, was ich vor der Kamera sage, ist auch das, was ich Menschen ins Gesicht sage. Aber wenn die Konstellation zu vermeiden ist, machen wir das. Du kannst es gar nicht richtig machen.
Wie gestaltet sich das Familienleben, wenn die Saison so wild verläuft wie in Iserlohn mit zunächst satter Krise und dann einem fulminanten Aufschwung? Jedenfalls nicht sorgenfrei . . .
Sorgenfreie Saison, gibt’s das überhaupt? Ich vermute, das ist bei uns wie bei Partnern in jedem Berufsfeld. Man versucht, zuhause einen Ausgleich zu leisten. Natürlich würde ich es am schönsten finden, wenn jedes Spiel 1:0 für Iserlohn ausgeht.
Wie regeln Sie das eigentlich mit den Kindern, wenn Andy ein Spiel hat und Sie einen Kommentatoreneinsatz?
(lacht) Dann passt die Fünfjährige auf die Dreijährige auf und die auf den acht Monate alten Jungen. . . Wir haben uns in Iserlohn ein Superumfeld geschaffen mit Freunden, Nanny und Babysitter und übergeben unsere Kinder an Tagen, an denen wir beide unterwegs sind.
Kommt der/die nächste Eishockeyspielerin Jenike?
Die Dreijährige spielt schon. Also, sie versucht es. Und ich werde alles daran setzen, dass sie nicht Torhüterin und nicht Verteidigerin wird.
Interview: Günter Klein