Irgendwas zwischen öffentlicher Rückendeckung und einem Bekenntnis auf Zeit – so lassen sich die Aussagen von Bayerns Vorstands-Chef Jan-Christian Dreesen verstehen. Doch egal, welchem Interpretationsansatz man eher zugeneigt ist: Dass Thomas Tuchel bis zum Saisonende Trainer beim FC Bayern bleibt, ist nur schwer vorstellbar. Vielmehr wirkt es so, als ob seine Zukunft davon abhängt, ob (und vor allem: wann) der FC Bayern einen neuen Trainer als Ersatz findet. Von Notnagel Hansi Flick bis zur Wunschlösung Xabi Alonso geistern zahlreiche Namen durch die Säbener Straße – während Jose Mourinho angeblich schon Deutsch-Stunden nimmt.
Eine mögliche Entlassung Tuchels wäre unweigerlich auch ein Eingeständnis der Bosse, dass die Trennung von Julian Nagelsmann im vergangenen März ein Fehler war. Schließlich wurde damals argumentiert, dass die Gefahr bestünde, die Saisonziele zu verpassen – obwohl der FCB noch in allen drei Wettbewerben vertreten war. Nach der dritten Pleite in Serie und acht Punkten Rückstand in der Liga lässt sich aktuell nichts anderes feststellen, als dass mindestens zwei von drei Saisonziele schon verpasst sind.
Dass Tuchel selbst keine Erklärungen mehr für die Krise hat, dürfte Fans und Verantwortliche am meisten beunruhigen. „Murphy’s Law“ führte der Trainer als Begründung für die Pleite beim VfL an, vereinfacht bedeutet das: Alles ging schief, was schiefgehen konnte. Zwar hatte der FCB in den vergangenen Tagen tatsächlich mit viel Pech zu kämpfen. Es ist aber die Aufgabe eines Trainers – wenn man so will: Tuchels Law –, Lösungen für ebendiese Probleme zu finden.
Stattdessen führte er wieder einmal xG-Werte und unglückliche Spielverläufe als Begründung an. Schon vor knapp einem Jahr sorgte Tuchel für Verwunderung, als er nach einer 0:3-Pleite gegen Manchester City „schockverliebt“ war. Und auch letzte Woche wirkte es in Leverkusen so, als ob sich der Coach mehr mit der Leihspieler-Regelung von Josip Stanisic als mit den Problemen in der Münchner Defensive beschäftigte.
In den vergangenen elf Monaten hat es der FC Bayern nicht mehr geschafft, auf Krisen richtig zu antworten. Das gilt sowohl für die Mannschaft auf dem Platz als auch für Tuchel an der Seitenlinie. Ein Neuanfang könnte nun das Beste für alle Seiten sein.
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