München – Als sich die Reihen in der BMW Welt schon langsam wieder lichteten, war der große alte Mann immer noch da. Von seinem Tisch schaute sich Holger Geschwindner an, wie die noch verbliebenen Legenden der kleinen deutschen Basketball-Welt immer ausgelassener ihr Wiedersehen feierten. Und man konnte diesen einen Satz deutlich aus seinem Gesicht ablesen: „Eigentlich gehöre ich doch nicht hierher.“
So ist der mittlerweile 78-Jährige einfach gestrickt. Dabei war er durchaus eine der prägenden Spielerpersönlichkeiten ihrer Zeit. War natürlich in jenem Ensemble dabei, das bei den Olympischen Spielen 1972 in München die deutschen Fahnen hoch hielt. Doch Geschwindner winkt bei solchen Gedanken nur ab: „Als Gastgeber mussten wir ja dabei sein, wir haben halt irgendwie auch einen Ball in der Hand gehabt.“
Legende? Nein, das seien andere. Wenn überhaupt, dann sieht sich der gebürtige Bad Nauheimer als Legendenmacher. Jeder zweite Satz, den Geschwindner so spricht, hat mit einer solchen zu tun. Mit „dem Dirk“ – mit Dirk Nowitzki, den er als Mentor und Privattrainer aus der fränkischen Provinz zu einer Weltkarriere führte.
Und nicht nur ihn. Was kaum bekannt ist, ist, dass der Mann, den alle nur „Hodsch“ nennen, noch immer als Individualtrainer im Einsatz ist. Selbst Frankreichs Wunderkind Victor Wembanyama, der gerade bei den San Antonio Spurs seine NBA-Premierensaison spielt, hat bei ihm seine sommerlichen Extraschichten geschoben und will es auch wieder tun. Das Foto mit dem 2,24-Meter-Schlaks hat Geschwindner auf seinem Mobiltelefon verewigt. Er wiegt es in seiner Hand: „Dieser Junge“, so sagt er, „kann den Basketball wieder verändern.“
So wie es eben auch Nowitzki getan hat. Nicht zuletzt auch mit der tatkräftigen Mithilfe des Mentors. Und das ist dann doch die Frage, ob der knorrige 1,92-Meter-Mann noch einmal auch nur annähernd eine vergleichbare Rolle spielen kann wie bei dem heutigen Berater der Dallas Mavericks.
Geschwindner selbst holte Nowitzki aus seinem Umfeld. „Das hat man mir in seiner Familie lange nachgetragen“, meint er und fügt schmunzelnd hinzu: „Heute sehen sie das ein bisschen anders.“ Geschwindner verpasste Nowitzki in den schweißtreibenden Sommereinheiten jene Wurfvarianten, die ihm in seiner langen Karriere unfassbare 31 560 Punkte einbrachten. Den fast schon wissenschaftlichen Weg dorthin – schöne Anwendung für Geschwindners Studienfächer Mathematik und Physik – konnte man in der filmischen Biographie „Der perfekte Wurf“ zumindest erahnen. Und der Mann im Hintergrund, der für seinen Schützling auch oft „zum Ami“ geflogen ist, arbeitete auch an dessen Persönlichkeit. So gehört ein Musikinstrument bei ihm zum Pflichtprogramm. Nowitzki legte er das Saxophon ans Herz. Weit gediehen sind die Versuche dem Vernehmen nach nicht.
Und es ist zu bezweifeln, dass Geschwindner Wembanyama & Co noch an Klavier oder Geige bringen wird. „Aber das musst du machen“, sagte er. Es ist für ihn Teil des kniffligen Wegs zur Legende. Sich selbst mag er nicht als eine solche sehen. Aber Legenden zu produzieren, das hat er auch mit 78 noch lange nicht abgehakt.