Ein Neustart. Mal wieder. Türkgücü München startet mit komplett verändertem Kader in die Regionalliga-Rückrunde. Der Grund: Der Investor Milan Rapaic ist abgesprungen. Präsident Taskin Akkay spricht im Interview mit unserer Zeitung über die finanziellen Turbulenzen, die schwierige Suche nach Lösungen bei der ewigen Stadionfrage sowie über den neuen Kurs des traditionellen Münchner Vereins mit türkischen Wuzeln.
Wann war sich der Verein über das Ausmaß der finanziellen Probleme bewusst?
Zu Saisonbeginn hatten wir eine klare Richtlinie. Nach Vorgaben sowie Absprachen mit dem damaligen Investor hatten wir einen Liquiditäts-Zeitplan aufgestellt, der eigentlich bis Ende der Saison durchgetaktet war. Ab Mitte September kamen dann die notwendigen und geplanten Zusagen nicht und wir sind stückweise in Zahlungsverzug geraten. Danach hat es zunächst noch positive Reaktionen seitens des Investors gegeben, dass es doch weitergehe. Leider kam es dann auf unsere Nachfrage ein paar Tage später rückwirkend wieder zu einem Dementi. Ende Oktober lagen uns somit endgültige Erkenntnisse vor, dass es doch nicht weitergeht.
Wo hakt es am meisten?
Knapp die Hälfte unseres Regionalliga-Budgets verschlingt die Stadionmiete. Das macht unsere ganze Budgetplanung zunichte. München ist aus Sicht der Infrastruktur kein guter Regionalliga-Standort, obwohl aus sportlicher Sicht ein Sprung eines Münchner Vereins in die 3. Liga hingegen sehr wohl möglich wäre. München braucht ein regionalligataugliches Stadion, wenn man die Lücke zur 3. Liga schließen will.
Ist die Regionalliga für einen Münchner Verein derzeit überhaupt machbar?
Ich sage, dass München als Sportstadt mit weltbekannten Vereinen eine Regionalliga-Mannschaft braucht. Wir wollen diese Lücke füllen. Es gibt in dieser Stadt Potenzial an Spielern. Ein solches Interesse können wir mit unserem Verein auch bedienen. Wenn das Thema der Sportstätte nicht da wäre, dann würde ich die finanzielle Machbarkeit positiv sehen. Aber aktuell müssen wir uns immer stärkere Partner suchen. Da kämpft man jedes Jahr um eine finanzielle Machbarkeit.
Wie darf man die vielen personellen Veränderungen bei Mitarbeitern und Spielern verstehen?
Oktay Kaya war der einzige festangestellte Vollzeit-Mitarbeiter des Vereins neben den Spielern, den der Verein zum Jahresende finanziell auch nicht mehr tragen konnte. Wir haben ihn aus betriebsbedingten Gründen gekündigt, so wie auch bei Spielern. An die Spieler haben wir sofort nach Ende des letzten Spieltages im letzten Jahr Vertragsauflösungen und deutliche Verzichte auf die bestehende vertragliche Situation kommuniziert. Einige sind zuvor in den Urlaub gefahren und kamen nach zwei Wochen wieder. Für frühere Verbindlichkeiten haben wir einen Weg gefunden und uns geeinigt. Diese Abmachungen halten wir jetzt sukzessive ein.
Welche Rolle spielt das Konzept mit türkischstämmigen Spielern?
Es spielt eine Rolle in unserem Verein, das ist fakt. Aber natürlich ist es in der Regionalliga sehr schwer, eine Mannschaft mit rein türkischem Migrationshintergrund zusammenzustellen. Dafür ist die Qualität in der Masse nicht gegeben. Deswegen wird es dankenswerterweise immer einen gemischten und bunten Fußballerhaufen geben. Das ist auch die Besonderheit unseres Vereins, mit dem sich viele identifizieren.
Woran wollen Sie das konkret festmachen?
Man sieht zum Beispiel, dass das Konzept bei unserer U19-Bayernligamannschaft mit vielen Spielern mit Migrationshintergrund aus dem Münchner Osten funktioniert. Wir haben viel Potenzial mit dieser neuen Linie. Junge neue Spieler sollen das Ziel haben, Türkgücü als Sprungbrett zu sehen. Letztes Jahr haben wir zwei Spieler erfolgreich in die Türkei in die 2. Liga transferieren können.
Wo will Türkgücü mittel- und langfristig hin?
Der Traum wäre ein Zuhause: eine Spielstätte und einen Ort, in dem Türkgücü München uneingeschränkte Trainingseinheiten von der E-Jugend bis zur U19, über Damen bis zu den Herren bekommt.
Ist ein Abstieg bei der anhaltenden Stadion-Thematik aber nicht vorprogrammiert?
Wenn man sportlich absteigt ist das ein normaler Lauf der Dinge, aber eben nicht aus technisch zwanghaften Gründen. Wenn wir nächstes Jahr kein Stadion als Spielort haben, sind wir technisch abgestiegen. Deswegen werden wir vorsorglich auch die Bayernliga als Spielklasse zusätzlich beantragen. Wir wünschen, dass diese Thematik zusammen mit der Sportpolitik gelöst werden kann.
Was stimmt Sie dabei hoffnungsvoll?
Spätestens wenn zum Beispiel eine Damen-Mannschaft wie Wacker in den Profibereich aufsteigt, kommt das Stadionthema wieder auf den Tisch. Das Dantestadion bringe ich bei der Stadtverwaltung immer ein. Das ist ein Tabu-Thema, da sind die Munich Cowboys und Schulsport und ist kein Platz für Türkgücü heißt es immer. Die Stadionfrage hat mich mittlerweile bis nach Seligenporten geführt.
Wie lauten die kurzfristigen Saisonziele?
Es wird im wahrsten Sinne sportlich für uns. Es ist geplant, den Spielbetrieb zu Ende zu spielen. Die Manpower ist aus bekannten Gründen nur wenig vorhanden. Wir versuchen den Spielbetrieb, mit einer kleinen Mannschaft von vier bis fünf Verantwortlichen zu meistern. Wir schaffen das, auch wenn es eine harte Nummer wird. Wir werden versuchen verschiedene Wege zu gehen, um den einen oder anderen Euro zu sparen. Wenn wir das bis zur Lizenzierung hinbekommen, ist das gut. Es wäre schade, wenn man die Regionalliga aus Gründen der Infrastruktur und zu kostenintensiven Betriebsausgabe abgeben müsste. Sportlich könnten wir uns vorstellen, die Regionalliga zu halten. Wir werden die Lizenz technisch beantragen und ein Stadion einreichen. Um die Konditionen werden wir bis zum Schluss kämpfen.
Interview: Robert Frank