Die Trainerliste des FC Bayern ist seit dem Abgang von Pep Guardiola im Sommer 2016 lang. Zu lang: Carlo Ancelotti, Willy Sagnol, Jupp Heynckes, Niko Kovac, Hansi Flick, Julian Nagelsmann – und (spätestens) mit dem letzten Pflichtspiel der Saison 2023/2024 gehört auch Thomas Tuchel der Vergangenheit des deutschen Rekordmeisters an. So konstant wie die Münchner beim Gewinn der deutschen Meisterschaft waren, so inkonstant waren sie bei der Besetzung des Trainerpostens. Und das muntere „Hire and Fire“ auf dieser Position hat inzwischen auch am Image des Vereins gekratzt. Vor dieser Tatsache sollten die Verantwortlichen an der Säbener Straße nicht mehr die Augen verschließen.
Wenn ehemalige Angestellte wie Julian Nagelsmann („Die Trainer bei Bayern München bekommen nicht so viel Zeit, um etwas zu entwickeln“) oder Niko Kovac („Ich kann Ihnen sagen, dass ich ganz genau weiß, wie Thomas fühlt. Ich habe meine Meinung dazu. Aber die behalte ich für mich“) nun vorsichtig gegen ihren ehemaligen Arbeitgeber nachtreten, sollte das Vorstandschaft und Aufsichtsrat in höchste Alarmbereitschaft versetzen. Zumal auch Thomas Tuchel am Freitag vielsagend ankündigte, dass er nicht das einzige Problem sei: „Die Verantwortlichen kennen meine Analyse, die ist auch sehr selbstkritisch. Aber das ist definitiv keine Analyse für die Öffentlichkeit.“ Aussagen, die von Trainer-Kollegen in Fußball-Deutschland und darüber hinaus genau vernommen werden – und den Münchnern die Suche nach einem Nachfolger für Tuchel erschweren.
Der aktuellen Bayern-Mannschaft wird vorgeworfen, dass zu viele Spieler nur an sich denken und ihr Ego über den Teamgedanken stellen. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass dies ebenfalls zu lange in der Chefetage praktiziert wurde. Machtkämpfe gab es dort in den vergangenen Jahren zur Genüge: Karl-Heinz Rummenigge gegen Uli Hoeneß, Hasan Salihamidzic gegen Hansi Flick, Oliver Kahn gegen Jan-Christian Dreesen. Jeder verfolgte dabei Eigeninteressen. Mit Max Eberl gesellt sich nun ein neuer starker Mann in das Haifischbecken FC Bayern. Wenn er loslegt, wird Vorstandschef Dreesen bei sportlichen Themen – wie beispielsweise der Trainerfrage – weitestgehend außen vor sein. Ist hier der nächste Machtkampf programmiert? Nicht ausgeschlossen.
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