Am Sonntag lief erstmals ein Bundesliga-Schiedsrichter – Daniel Schlager bei Frankfurt gegen Wolfsburg – mit eigener Kamera auf. Die Ref-Cam, vergleichbar der Body-Cam, die man manchmal an Polizisten-Leibern wahrnimmt, wenn sie sich in eine Schlacht werfen müssen. Beim Fußball-Schiri ist das elektronische Auge am Headset angebracht, und sicherlich schaffen die Bilder eine neue Perspektive auf das Spiel. Der Ton wird ebenfalls festgehalten, vielleicht mal wieder ein Dialog wie vor fünfzig Jahren mit dem legendären Spieler Willi Lippens („Ich verwarne Ihnen“ – „Ich danke Sie“) eingefangen.
Versuche, aus dem Sport medial mehr herauszuziehen als nur das reine Spielgeschehen, hat es immer schon gegeben. Paul Breitner ließ sich 1979 für den Film „Profis“ verkabeln. Im Eishockey wurde in den 90ern eine Helmkamera getestet, deren Bilder aber zu wackelig gerieten. In der Champions Hockey League steckt man den Coaches ein Mikro ans Revers, was diese aber oft vergessen – die „fucking“ Schimpftiraden sind nur bedingt sendefähig. Im Rugby gibt man den Schiedsrichtern eine Stimme. Sie erklären dem Publikum Entscheidungen übers Mikrofon. Der Respekt, den sie erfahren, rührt aber wohl aus der gelebten Tradition dieses Spiels.
Die Ref-Cam, die Bundesliga-Premiere hatte, soll vorerst nur Stoff für eine Schiedsrichter-Dokumentation liefern. Es ist nicht die erste. Der Fußball arbeitet hart daran, seine Referees auf die Bühne zu stellen, und bei manchen Protagonisten an der Pfeife hat man das Gefühl, dass sie sich an der Aufmerksamkeit berauschen. Schiedsrichter schreiben mittlerweile Biografien (Patrick Ittrich, Deniz Aytekin, Felix Brych), die mit jeder Ausgabe überflüssiger werden, sie lassen sich im Doppelpass beklatschen – dabei sollte ihre Rolle sich eigentlich im Bereich der Nichtwahrnehmbarkeit abspielen. Die Unauffälligkeit war mal das Credo der Schiedsrichter – zu einer Zeit, als der VAR ihnen noch nicht die Verantwortung abnahm.
Dringender als die Referees in ein gutes Licht zu setzen, wäre es, ihnen die Arbeit mit einem Regelwerk zu erleichtern, das Freiheit für Vernunftentscheidungen gewährt. Dass dem Darmstädter Tim Skarke die Anerkennung eines großartigen Tores verweigert werden musste, weil er am angelegten Arm angeschossen wurde, ist ärgerlich. Der Fußball hat stärkeren Bedarf an Gerechtigkeit als an der 97. Kamera.
Guenter.Klein@ovb.net