Klopp und Tuchel

Wer ist die Lame Duck?

von Redaktion

VINZENT TSCHIRPKE

Der Unterschied liegt manchmal in der Art des Metalls. Während Jürgen Klopp am Sonntag mit seinem FC Liverpool den Ligapokal in Höhe stemmte, saß Thomas Tuchel auf dem gepackten Alu-Koffer. Ansonsten weist die aktuelle Situation beider Trainer mehr Gemeinsamkeiten auf, als sich auf den ersten Blick vermuten lässt.

Beide Coaches scheiden am Ende der Saison von ihren aktuellen Vereinen. Und sowohl Tuchel als auch Klopp müssen sich dementsprechend nur noch darauf konzentrieren, in den nächsten drei Monaten das Maximum aus ihren Clubs rauszuholen. Danach trennen sich die Wege – und das sogar in beiden Fällen „einvernehmlich“.

Schließlich war es Klopp, der überraschend ankündigte, bei seinen Reds aufzuhören. Der Verein dürfte seinem Erfolgstrainer zwar hinterhertrauern, legt ihm aber selbstverständlich keine Steine in den Weg. Und auch, wenn man den Konsens der Entscheidung beim FC Bayern zumindest bezweifeln darf: Offiziell wurde auch das Aus von Tuchel beidseitig beschlossen.

Nun lässt sich darüber staunen, wie dehnbar der Begriff „einvernehmlich“ inzwischen genutzt wird – vor allem aber verwundert der Umgang mit beiden Fällen: Während Tuchel seither zur Lame Duck erklärt wurde – also einem Coach, der aufgrund seines nahenden Abschieds nicht mehr handlungsfähig ist, weil die Spieler sowieso bald einen Nachfolger haben – lautet der öffentliche Eindruck bei Klopp, dass seine Mannschaft nun erst recht alles für einen erfolgreichen Abschluss tun würde.

Ab wann ein Trainer zur Ente wird, hängt demnach vor allem davon ab, wie die Stimmung rund um Verein erscheint. Dass ein Coach beim nahenden Abschied aber so oder so keine Zukunftsentscheidungen mehr treffen muss (oder: sollte?), wird dabei gerne vergessen. Ein gescheiterter Übungsleiter wird zur Lame Duck, dem erfolgreichen wird eine große Abschiedstour attestiert.

Dieser Eindruck zeigt den Fehler im Umgang mit auslaufenden Trainerverträgen. Schließlich hat jeder Coach unabhängig von den Umständen seines Abschieds ein natürliches Interesse daran, die eigene Amtszeit möglichst erfolgreich zu beenden. Für dieses Phänomen gibt es wiederum auch einen Begriff: Man nennt es „weitere Karriereplanung“.

vinzent.tschirpke@ovb.net

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