Bahrain – Das Lachen in den Red-Bull-Gesichtern konnte nach den Testfahrten nicht größer sein. Weltmeister Max Verstappen (26) schaffte zwar nicht an allen drei Testtagen die schnellste Rundenzeit, aber Red-Bull-Chefberater Helmut Marko (80) sagte unserer Zeitung: „Auch wenn es kaum möglich erschien, Max hat noch mal den nächsten Schritt gemacht. Es war eine Augenweide zu sehen, wie er auf abbauende Reifen oder andere Veränderungen auf der Strecke und im Fahrverhalten reagierte. So eine Einheit zwischen Fahrer und Auto habe ich in meiner ganzen Karriere noch nicht erlebt.“
Deshalb sind sich Experten wie Aston-Martin-Legende Fernando Alonso, Mercedes-Pilot George Russell oder Ex-Weltmeister Damon Hill einig: Nur außergewöhnliche Umstände können den Niederländer von seinem vierten WM-Titel in Folge abhalten. Unsere Zeitung stellt vor dem ersten von 24 WM-Läufen (kompletter Kalender siehe rechts) am Samstag in Bahrain eine Formtabelle auf.
1. RED BULL
Die Bullen sind vorne. Aber: Der Vorsprung auf die anderen Teams bezieht sich nur auf Max Verstappen. Teamkollege Sergio Perez tut sich schwerer. Der Mexikaner, dessen Vertrag in diesem Jahr ausläuft, muss sich strecken, um vor den beiden Ferraris zu bleiben. Fest steht: Der neue RB20, mit dem Stardesigner Adrian Newey zur Überraschung der Konkurrenz, die ihre Vorjahresautos im Grunde nur weiterentwickelt haben, neue Wege ging, ist Verstappen wie auf den Leib geschnitten. Und zuverlässig ist er auch schon: 390 Runden in drei Testtagen ohne Probleme belegen das.
2. FERRARI
Die neue rote Diva wirkt schnell und zuverlässig. Charles Leclerc und Carlos Sainz spulten in drei Tagen locker 416 Runden ab. Dabei setzte der Spanier Sainz die absolute Bestzeit der Testtage. Ein Beleg, dass der Ferrari besonders auf eine Runde im Qualifying eine Herausforderung sogar für Verstappen sein könnte. Im Rennen eher nicht. Ferrari hat ihre größte Schwäche, den großen Reifenabbau während eines Rennens zwar sichtlich vermindert, aber auf Augenhöhe mit Verstappen sind sie noch nicht. Spannend wird das Teamduell. Sainz, der im nächsten Jahr durch Lewis Hamilton ersetzt wird, fährt um einen neuen Job.
3. MERCEDES
Knapp die Nummer drei. Lewis Hamilton scheint besser mit dem Auto klarzukommen als mit dem Vorjahresauto. Aber das Ziel, Red Bull herauszufordern zu können, scheint noch etwas überambitioniert. Ein Problem ist, dass Hamilton schon für nächstes Jahr bei Ferrari unterschrieben hat.
Sky-Experte Ralf Schumacher dazu: „Es ist für alle keine glückliche Situation. Nicht für Mercedes, nicht für George Russell und auch nicht für Hamilton. Ich bin gespannt, wie Teamchef Toto Wolff damit umgeht.“
4. ASTON MARTIN
Das Team von Milliardär Lawrence Stroll will regelmäßig Podiumsplätze einfahren – sogar den ersten Sieg feiern. Aber das wird schwer. Positiv ist, dass Lance Stroll, der in der letzten Saison lange an einer Handverletzung zu knabbern hatte, näher an den Zeiten von Superstar Fernando Alonso dran zu sein scheint.
5. MCLAREN
Das zweitbeste Team des letzten Saisondrittels 2023 scheint noch nicht zu weit mit der Neuentwicklung zu sein. Aber die Saison ist lang, das Auto hat noch viel Entwicklungsluft. Der Abstand zu Ferrari, Mercedes und Aston Martin ist nicht groß. Spannend wird das Teamduell zwischen Lando Norris und Oscar Piastri. Beide haben Weltmeister-Potenzial.
6. RACING BULLS
Das Juniorteam von Red Bull hat den erhofften nächsten Schritt gemacht, möglich durch eine intensivere Zusammenarbeit mit Red Bull. Was im Reglement erlaubt ist, wurde anders in den Jahren zuvor genutzt. Die Zeiten von Daniel Ricciardo und Yuki Tsunoda waren ermutigend. Für beide ist jedes Rennen eine Bewerbungsfahrt für 2025. Denn beide gelten als potenzielle Kandidaten, dann Teamkollege von Max Verstappen zu werden.
7. ALPINE
Der Sportableger von Renault enttäuschte bei den Tests. Auch wenn die Franzosen womöglich mit mehr Sprit als die Konkurrenz unterwegs war (zehn Kilo mehr Benzin machen in Bahrain vier Zehntel pro Runde aus), waren sie zu weit weg. Alpine muss sich erheblich steigern, sonst droht Konzernmutter Renault, den F1-Stecker zu ziehen. Pikant auch: Die beiden Fahrer Esteban Ocon und Pierre Gasly können sich nicht leiden. Sie machen auch keinen Hehl draus.
8. WILLIAMS
Der von Mercedes gewechselte Teamchef James Vowles ist in seiner zweiten Saison. Er denkt langfristig, baut auf das Jahr 2026, wenn es eine neue Regelrevolution gibt. Davor soll es immer kleine, aber feine Schritte geben. Großes Plus ist der unter thailändischer Flagge fahrende Brite Alex Albon. Er gilt als einer der besten Piloten, wird sogar als zukünftiger Mercedes- oder Red-Bull-Pilot gehandelt. Logan Sargeant dagegen fährt um seinen Job.
9. STAKE SAUBER
Das zukünftige Audi-Team glänzte zwar ab und an mit schnellen Rundenzeiten, doch in der Rennabstimmung mit vollen Tanks waren die Schweizer noch zu langsam. Audi will Fortschritte sehen, sonst wackelt das Projekt. Ob das mit Valtteri Bottas und Zhou Guanyu möglich ist, ist zweifelhaft.
10. HAAS
Auch nach dem Abgang von Kultteamchef Günther Steiner gilt: Willst du Haas vorne sehen, musst du die Tabelle drehen. Nico Hülkenberg (36), einzig verbliebener Deutscher in der Königsklasse, kann nur ein Ziel haben. Aus wenig viel machen und Glanzpunkte setzen. Dieses Jahr muss er vertragsbedingt noch mit dem US-Team hinterherfahren. Er muss regelmäßig schneller sein als Teamkollege Kevin Magnussen, um sich so eine gute Verhandlungsposition für nächstes Jahr zu sichern.